Google Street View: 244.237 Widersprüche

244.237 deutsche Haushalte haben bisher verlangt, die Abbildung ihrer Häuser aus Googles Straßenatlas zu entfernen. Das seien knapp drei Prozent der Haushalte in den 20 Städten, für die Street View bis Ende des Jahres starten soll, teilte Google mit. Der Dienst war wegen Datenschutzbedenken heftig unter Beschuss geraten - nicht immer aber wurde fundiert über Street View diskutiert.

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Von
  • Jürgen Kuri

Gut 244.000 deutsche Haushalte haben bisher verlangt, die Abbildung ihrer Häuser aus Googles Straßenatlas Street View zu entfernen. Das seien knapp drei Prozent der Haushalte in den 20 Städten, für die Street View bis Ende des Jahres starten soll, teilte Google in einem Blog-Eintrag mit.

Google Street View gibt es bereits in 23 Ländern. Der neue Dienst ist in den Kartendienst Google Maps integriert, wo der Nutzer mit Hilfe eines kleinen Icons künftig in die umschalten kann. Diese zeigt dann die Fotos einer Straße als reale Panorama-Umgebung an. Für die Fotoaufnahmen sind Google-Mitarbeiter auch in Deutschland seit geraumer Zeit mit Autos unterwegs, die mit einer Kamera ausgestattet sind. Zunächst sollen Straßenzüge von 20 großen Städten (Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg, Stuttgart und Wuppertal) abgebildet werden

Google habe exakt 244.237 Anträge zur Entfernung eines Hauses aus Street View erhalten, schrieb der verantwortliche Produktmanager Andreas Türk. Das entspreche 2,89 Prozent der von Google gezählten 8.458.084 Haushalte in den 20 Städten. Zwei von drei Anträgen seien über das seit August verfügbare Online-Tool gestellt worden. Per Brief konnte ein Mieter oder Immobilienbesitzer bereits seit April 2009 Google auffordern, sein Haus bei Street View unkenntlich zu machen. Der Internet-Konzern betont, dass die Anträge auch nach dem Start des Dienstes jederzeit gestellt werden können und das Vorgehen mit deutschen Datenschützern abgestimmt sei.

Man betreibe einen großen Aufwand, um die Anträge richtig umzusetzen, schrieb Türk. "Allerdings lässt sich bei derartigen Prozessen nicht garantieren, dass jeder Antrag, der uns erreicht hat, auch vollständig bearbeitet werden kann", schränkte er ein. Zum Beispiel seien in einigen Fällen die angegebenen Adressen nicht eindeutig zuzuordnen, weil Angaben nicht lesbar oder die Beschreibungen eines Gebäudes nicht eindeutig gewesen seien.

Neben Deutschland ist der geplante Dienst auch in anderen Ländern wie Frankreich und der Schweiz wegen großer Bedenken um Datenschutz und Privatsphäre in die Kritik geraten – bereits kurz nach dem Start von Street View in den USA wurde Kritik laut, dass die Fotos zum Teil mehr Einsichten in das Privatleben erlaubten, als den dargestellten Personen recht sei. Allerdings wurde dies nicht immer fundiert diskutiert. Geodaten-Dienste gibt es zudem schon viele. Auch Microsoft bietet in seinem Kartendienst Bing Maps – vorerst nur für ausgewählte Orte etwa in den USA – einen Panorama-Kartendienst ganz ähnlich wie Street View an. In Deutschland zeigt die Kölner Firma panogate in ihrem Dienst Sightwalk Panorama-Straßenansichten von mehreren Städten. Die Auseinandersetzung um Street View sorgte sogar dafür, dass in Berlin Politik und Wirtschaft auf einem Geodaten-Gipfel über den Umgang mit diesen Diensten diskutierten – mit dem umstrittenen Ergebnis, dass die Internetwirtschaft bis Dezember Selbstverpflichtungen zum Schutz der Privatsphäre der Bürger vorlegen soll.

Google selbst hatte auf die heftige Kritik von Datenschützern und Politikern an Street View nach anfänglichem Unverständnis mit einer PR-Offensive reagiert, zu der neben einem Rechtsgutachten auch ein CeBIT-Auftritt des Internet-Konzerns gehörte, der ganz der Präsentation von Street View diente. Firmensprecher betonten, dass Google der festen Überzeugung ist, Street View sei rechtmäßig. Man habe aber verstanden, dass es noch eine Menge offener Fragen gebe. Zur Rechtmäßigkeit von Street View hatte Google bereits Ende Februar dieses Jahres ein Gutachten präsentiert, das Street View Unbedenklichkeit bescheinigte. Ein anderes Rechtsgutachten bescheinigte Street View allerdings kurz danach, dass der Dienst nur unter gewissen Einschränkungen zulässig sei.

Zusätzlichen Ärger handelte sich Google mit der WLAN-Datenpanne ein, die allerdings mit Street View selbst gar nicht direkt zu tun hat. Google hat seit 2007 bei seinen Kamerafahrten für Street View auch Funknetze katalogisiert. Dabei wurden nach Angaben von Google "unabsichtlich" neben den WLAN-Namen und MAC-Adressen auch Nutzdaten miterfasst und dauerhaft abgespeichert, die über ungesicherte Netze gesendet wurden. Die Hamburger Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein, in den USA verlangen 38 US-Bundesstaaten Rechenschaft vom Internetdienstleister, dort liegen außerdem bei Gerichten neun Anträge auf Zulassung zur Sammelklage vor. Google stoppte daraufhin zeitweise weltweit die Kamerafahrten, um die Vorwürfe zu klären und die Systeme zur Erfassung der WLANs aus den Wagen zu entfernen. In Deutschland überprüft der hamburgische Datenschutzbeauftragte derzeit noch, welche Daten bei dem WLAN-Scanning durch Google angefallen sind.

In Deutschland werden nun, nachdem Google auf die anfängliche harsche Kritik an Street View reagierte und die Einspruchsmöglichkeit einführte, nach einem Widerspruch die entsprechenden Gebäude in den Panorama-Straßenansichten unscharf dargestellt. Wenn auch nur ein Mieter eines Mehrfamilienhauses dies fordert, wird das ganze Gebäude verwaschen angezeigt. Die Aktion kann nicht rückgängig gemacht werden, da Google dafür die Originalbilder verändert.

Die Vorab-Widerspruchsfrist war am Freitag vergangener Woche abgelaufen. Google hatte das Zeitfenster für Anträge über ein Online-Tool nach Forderungen aus der Politik auf acht Wochen verdoppelt. Unter anderem Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hatte dem US-Konzern wiederholt vorgeworfen, mit Street View die Privatsphäre zu verletzen. Nach der Aufregung der vergangenen Monate fällt die Zahl der Widersprüche mit der Drei-Prozent-Quote deutlich geringer aus als es einige Umfragen nahelegten. So hatte eine Emnid-Erhebung im Auftrag der Bild am Sonntag ergeben, 52 Prozent der Deutschen seien gegen die Abbildung ihrer Wohnung oder ihres Hauses in Street View. (jk)