Telecom-Wirtschaft empört über alt-neue Überwachungspläne der Länder

Just mit einem Änderungsantrag zu einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum restriktiveren Abhören gemäß der Vorgaben aus Karlsruhe will der Bundesrat die Befugnisse der Ermittler massiv ausbauen.

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Der Vizepräsident des Vereins der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), Harald Stöber, schlägt Alarm: In einem Schreiben, das heise online vorliegt, bittet er die Ministerpräsidenten und Regierungschefs der Länder, einem Gesetzesentwurf zur massiven Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung nicht zuzustimmen. "Die immer weiter und tiefer in die Persönlichkeitsrechte eingreifenden Maßnahmen drohen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Kommunikationsdienste zu erschüttern", warnt der Arcor-Chef. "Es ist zu befürchten, dass dies zu einem eingeschränkten Nutzungsverhalten der Kunden und damit zu erheblichen Geschäftseinbußen führt." Die daraus resultierende Belastung der Telekommunikations-Unternehmen werde sich auch gesamtwirtschaftlich auswirken, da die Branche als Schlüsselindustrie ihre Dienstleistungen als zunehmend wichtigen Produktionsfaktor bereitstelle. "Kostensteigerungen wären hier das völlig falsche Signal für einen gerade einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung", appelliert Stöber an das Einsehen der Länderchefs.

Hintergrund der Sorgen der Telekommunikations-Wirtschaft ist ein bizarres Manöver im Bundesrat. Die Bundesregierung legte dem Ländergremium Ende September einen Entwurf zur "Neuregelung der präventiven Telekommunikation- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt" zur Stellungnahme vor. Die Novelle ist erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres in engem Bezug zu seinem Einkassieren weiter Teile des Großen Lauschangriffs geurteilt hatte, dass die bisherigen Schnüffelprivilegien des Zolls verfassungswidrig seien. Dementsprechend definiert die überarbeitete Version der Regierung die Überwachungsbefugnisse der Zollfahnder enger und führt deutlich weniger Straftaten auf, bei denen im Verdacht vorab bereits abgehört oder mitgelesen werden darf. Ermittlungsergebnisse sollen zudem nur unter strengen Vorbehalten an andere Behörden weitergegeben werden dürfen.

Als hätte es die einschneidenden Urteile aus Karlsruhe nicht gegeben, empfehlen der Rechts- und der Innenausschuss des unionsdominierten Bundesrats in einem Änderungsantrag dagegen aber dem Plenum des Bundesrates eine sehr weit gehende Ausweitung der Befugnisse der Ermittler weit über das Zollkriminalamt hinaus. Sie haben dazu einen Entwurf aus Bayern und Hessen für ein "Gesetz zur Verbesserung der Überwachung der Telekommunikation" in Grundzügen in ihre Gesetzesversion eingebaut.

Der euphemistisch als "TKÜ-Verbesserungsgesetz" titulierte Vorschlag fordert eine deutliche Vergrößerung des Straftatenkatalogs in Paragraph 100a der Strafprozessordnung (StPO), der die Basisbedingungen für den kleinen Lauschangriff aufstellt. Zudem soll die Handy-Überwachung -- etwa mit dem umstrittenen IMSI-Catcher -- deutlich aufgebohrt werden. Der Bundesrat hatte den Vorschlag der Südländer zunächst nicht weiter verfolgt, da er als aussichtslos erschien. Doch just im Zuge der einschränkend angelegten Gesetzesnovelle haben seine Innen- und Rechtspolitiker den umstrittenen Entwurf wieder aufgetaut. Schon am Freitag soll die Länderkammer über den Vorstoß abstimmen.

Die im "TKÜ-Verbesserungsgesetz" vorgesehenen Regelungen "betrachtet die gesamte Branche von Anfang an mit großer Sorge und bittet um eine sehr kritische Überprüfung der dort vorgesehenen Maßnahmen", wendet sich Stöber daher nachdrücklich an die Länderchefs. Er kritisiert, dass nach dem zur Abstimmung kommenden Entwurf die Überwachung "auf deutlich mehr und insbesondere weniger schwere Delikte ausgedehnt werden" solle. Eine generelle Standortermittlung von Handynutzern etwa, wie sie im Entwurf festgeschrieben wird, sei im Rahmen der vorhandenen technischen Spezifikationen darüber hinaus gar nicht durchführbar. Zudem beanstandet der VATM-Vizepräsident, dass die vorgesehene Auskunftspflicht für die Sicherheitsbehörden gemäß der StPO "völlig kostenlos erfolgen" solle, also die Unternehmen und letztlich die Kunden die Zeche zahlen müssten. (Stefan Krempl) / (jk)