Aus drei mach eins

Ingenieure haben mit dem Nanomaterial Graphen einen konfigurierbaren Transistor entwickelt, der die Funktionen von drei herkömmlichen Silizium-Transistoren vereint.

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Von
  • Katherine Bourzac

Ingenieure haben mit dem Nanomaterial Graphen einen konfigurierbaren Transistor entwickelt, der die Funktionen von drei herkömmlichen Silizium-Transistoren vereint.

Als das Nobelpreiskomitee im Oktober Forschungsarbeiten an dem Nanomaterial Graphen auszeichnete, waren das im Wesentlichen Vorschusslorbeeren. Die elektronischen Anwendungen der einlagigen Kohlenstoffschichten sind bislang Labor-Demos. Doch ständig kommen neue hinzu, und die haben es in sich, wie nun eine Arbeit von zwei US-Ingenieuren zeigt.

Kartik Mohanram von der Rice University und Alexander Balandin von der University of California in Riverside haben einen Graphen-Transistor gebaut, der zwischen drei verschiedenen Betriebsarten hin und her geschaltet werden kann. Der konfigurierbare Transistor ist ein analoges Bauteil, wie es auch in Bluetooth-Headsets oder RFID-Schaltkreisen verwendet wird. Er eignet sich für äußerst kompakte Chips, die Signale für die drahtlose Datenübertragung erzeugen.

Seine überragenden physikalischen Eigenschaften verdankt Graphen der Wabenstruktur, in der die Kohlenstoffatome angeordnet sind. Elektronen fließen durch die zweidimensionale Struktur bei Zimmertemperatur schneller hindurch als durch jedes andere Material. Prototypen von Graphen-Transistoren haben deshalb Schaltraten von bis zu 100 Gigahertz erreicht – zehnmal mehr als die besten Siliziumtransistoren. Theoretische Berechnungen zeigen, dass sogar das Tausendfache, also 10 Terahertz, möglich ist. Graphen sollte sich zudem leicht in heutige Halbleiter-Fertigungstechniken integrieren lassen.

Die hohe elektrische Leitfähigkeit sei aber noch nicht alles, was Graphen zu bieten habe, sagt Kartik Mohanram, Elektroingenieur an der Rice University. Transistoren aus dem Material könnten auch ihr elektronisches Verhalten in einer Weise ändern, die in herkömmlichen Silizium-Transistoren nicht möglich ist.

Die können entweder vom „n-Typ“ sein, dann steuern sie den Fluss von negativ geladenen Elektronen zwischen Quell- und Abflusselektrode. Oder es handelt sich um einen „p-Typ“, in dem so genannte Elektronenlöcher fließen. Das sind Stellen im Kristallgitter des Siliziums, in denen Elektronen fehlen und die daher positive Ladungsträger darstellen. Ob ein Transistor vom n- oder vom p-Typ ist, wird im Fertigungsprozess durch die sogenannte Dotierung festgelegt.

Graphen hingegen ist „ambipolar“: Es kann sowohl positive als auch negative Ladungen transportieren. Mohanram hat darauf aufbauend gemeinsam mit Alexander Balandin einen variablen Transistor entwickelt. In dem wird an eine Graphenschicht über drei Gatter-Elektroden jeweils eine Spannung angelegt (siehe Bild). Ändern die Ingenieure die Spannungen, können sie den Transistoren zwischen drei Betriebsarten hin und her schalten: n-Typ, p-Typ und ein dritter Modus, in dem sich positive und negative Ladungen gleichzeitig bewegen.

Dieser „Triple-Mode“-Transistor wirkt wie ein Verstärker und lässt sich zum Enkodieren eines Datenstroms nutzen, indem Frequenz und Phase des Signals variiert werden. Dieses Verfahren nutzen Bluetooth-Geräte und RFID-Schaltkreise.

Das Bauteil von Mohanram und Balandin ist das erste, das eine solche Signalverarbeitung auf der Ebene eines einzelnen Transistors vornimmt. Gewöhnlich sind hierfür mehrere Transistoren nötig. Chips, die mit weniger Transistoren die gleiche Arbeit verrichten, bedeuten nicht nur geringere Kosten und geringeren Energieverbrauch. Sie sind vor allem ideal für Geräte wie Smartphones, in denen viele Bauteile auf engstem Raum untergebracht werden müssen.

Natürlich sei das zunächst ein Proof of Concept, schränkt Mohanram ein, aber es zeige, wozu Graphen gut sei. Ihr Bauteil lasse sich besser steuern als bisherige Versuche an Multimode-Transistoren, die neben Graphen auch Kohlenstoffnanoröhren und organische Moleküle ausprobiert haben.

Gerade die Steuerung sei aber entscheidend für ambipolare Transistoren, betont Subhasish Mitra, Elektroingenieur an der Stanford University. „Früher galt Ambipolarität als schlecht, weil sie sich nur schwer kontrollieren ließ.“ Nun müssten die Forscher zeigen, dass man die Triple-Mode-Transistoren auch zu einem funktionsfähigen System zusammenfügen könne, sagt Mitra. Die verschiedenen Gatterelektroden, die dazu nötig sind, dürften das Design von integrierten Schaltkreisen jedenfalls komplizierter machen, schätzt er.

Balandin und Mohanram arbeiten nach eigenen Angaben bereits an einem solchen Gerät. Außerdem seien sie dabei, die Transistoren selbst noch effizienter zu machen. Bislang haben die beiden ihre Arbeit noch nicht in einem wissenschaftlichen Journal publiziert.* Doch das werde demnächst geschehen, versichert Balandin, damit die Konstrukteure von Schaltkreisen mit der neuen Entwicklung bei Graphen und anderen Nanomaterialien mithalten können.

*Nachtrag: Forenteilnehmer Robbeblue hat uns dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass das Paper inzwischen bei ACS Nano erschienen ist:
Yang, X. et al., "Triple-Mode Single-Transistor Graphene Amplifier and Its Applications", ACS Nano, 12.10.2010 (Abstract); eine frei zugängliche Vorabversion gab es auf dem arXiv-Server: arxiv.org/abs/1010.1022 (nbo)