Angeklagter im Prozess um Online-Blockade der Lufthansa verurteilt

Das Gericht bewertete die Online-Blockade gegen die Website der Lufthansa als Nötigung.

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Im Prozess um die spektakuläre Online-Blockade gegen die Lufthansa AG hat das Amtsgericht Frankfurt den Angeklagten Andreas-Thomas Vogel zu einer Strafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Das Gericht schloss sich damit der Forderung der Staatsanwaltschaft an; wenn das Urteil rechtskräftig wird, gilt der Verurteile damit als vorbestraft. Das Gericht sah den Tatvorwurf der Anstiftung zur Nötigung nach § 240 Strafgesetzbuch (StGB) gegenüber der Lufthansa als Website-Betreiber sowie gegenüber anderen Internet-Nutzern als erwiesen an, da diese am Besuch der Lufthansa-Präsenz gehindert wurden. Die Online-Demonstration sei, obwohl sie einmalig stattgefunden habe, eine "Drohung mit einem empfindlichen Übel" gewesen, da damit zu rechnen gewesen sei, dass sie noch einmal abgehalten werden könnte.

Der Angeklagte konnte sich nach Meinung des Gerichts nicht auf die Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes berufen, da eine Versammlung beim Versuch einer Denial-of-Service-Attacke nicht gegeben sei. Auch habe sich der Angeklagte nicht auf die im Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Meinungsfreiheit berufen können, da diese durch andere Gesetze wie zum Beispiel § 240 StGB relativiert würden. Das Gericht sah auch keinen "guten politischen Zweck", da die Lufthansa zum Transport von abgeschobenen Flüchtlingen verpflichtet und daher der falsche Adressat für die Aktion gewesen sei. Als verwerflich sah das Gericht die Handlungen des Angeklagten an, da die Online-Blockade zwei Stunden dauern sollte und damit für einen langen Zeitraum geplant gewesen sei.

Das Gericht konnte nicht auf einen Verbotsirrtum erkennen, da sich die Online-Aktivisten vor der Blockade juristisch beraten ließen. Der zu Rate gezogene Jurist habe den Aktivisten bescheinigt, sie würden eine Ordnungswidrigkeit begehen. Auch wenn für einen Laien kein Unterschied zwischen einer Straftat und einer Ordnungswidrigkeit erkennbar sei, mussten sie aber allgemein davon ausgehen, dass sie Unrecht begehen würden. Die Höhe der Strafe begründete das Gericht mit dem nicht unerheblichen Schaden von 42.370,80 Euro, die der Lufthansa durch Abwehrmaßnahmen entstanden sei. Auch habe der Angeklagte Tausende zu einer Straftat angestiftet.

Der Verteidiger Thomas Scherzberg kündigte Rechtsmittel an. Dabei könnte es sich um eine Revision vor dem Landgericht oder eine Sprungrevision beim Oberlandesgericht handeln. "Es ging darum, neue Protestformen im virtuellen Raum auszuprobieren", sagte der als Zeuge gehörte Rechtsanwalt, der die Blockierer vor der Aktion beraten hatte. Scherzberg hatte zuvor vergeblich argumentiert, dass niemandem Gewalt angetan worden sei. Die Organisatoren hätten auch mit keinem Wort Folgeaktionen angekündigt, wie von der Anklage angenommen. Der Angeklagte nannte die Aktion in seinem Schlusswort "elektronischen zivilen Ungehorsam". Die Demonstration sei auch ganz bewusst beim Ordnungsamt der Stadt Köln angemeldet worden. Als Versammlungsort war damals die Homepage www.lufthansa.com angegeben worden.

Menschenrechtsgruppen hatten am 20. Juni 2001 eine Online-Protestaktion gegen die Lufthansa gestartet, da sie der Fluggesellschaft unterstellten, sie profitiere von der Abschiebung der etwa dreißigtausend Flüchtlinge jährlich, die zur Hälfte mit Lufthansa-Maschinen zurückgeschickt werden. Damit sollte die Online-Übertragung der Aktionärsversammlung behindert werden. (Volker Weber) / (anw)