Nokia: Verbinden ist eine Kunst
Der finnische Telefonierspezialist hat gegenwärtig nicht nur neue Mobiltelefone zu bieten, sondern auch eine Art mobile Netz-Kunstausstellung, und will die Infrastruktur für neue multimediale Inhalte liefern.
Auf der Nokia Mobility Conference in Monaco stellte der finnische Telefonierspezialist nicht allein neue Mobiltelefone vor. Er zeigte außerdem, wie Handys und ungetrübter Kunstgenuss auf Pixelebene zusammengehen können. Connect to art nennt sich die Netz-Kunstausstellung, die im altehrwürdigen Hotel de Paris eröffnet wurde. Besitzer der passenden Nokia-Handys (6600 und höher sowie 7710) wählen sich dabei einen Künstler wie Nam June Paik oder William Wegman aus und bekommen ein Kunstwerk als Bildschirmschoner angeboten, das Ganze natürlich in "limitierter Auflage", wie sich das bei großer Kunst schickt. Kommt das Konzept an, die Handys im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit mit richtiger Kunst zu veredeln, so soll die von der St. Petersburger Eremitage kuratierte Ausstellung den Download kostenpflichtig machen.
Nun ist Nokia nicht nur Hersteller von Mobiltelefonen, sondern Anbieter der Infrastruktur für die Mobilfunkbetreiber. Diese müssen in den nächsten Jahren gehörig in ihr Equipment investieren, wenn multimediale Inhalte zu den neuen Multimedia-Terminals vom Schlage eines 7710 gesendet werden sollen. Der Bildschirmschoner von Nam June Paik kann noch mit heutiger GPRS-Technik auf das Telefon geschubst werden, bei kompletten Filmen oder Sportsendungen oder bei dem Versenden eigener Videosequenzen sieht das anders aus. In den GPRS/EDGE oder UMTS/WCDMA-Netzen wird multimedia paketvermittelt in einem IP-Subsystem gesendet, das Nokia "Intelligent Edge" getauft hat. Die Intelligenz besteht darin, dass der Funknetzbetreiber feststellen kann, in welchem Kontext sich ein Multimedia Terminal aufhält und entsprechend automatisch den Kanal auswählt, auf dem die IP-Pakete zum Terminal kommen. So können Inhalte zu Hause via xDSL und Wireless LAN zum Terminal kommen, unterwegs via GPRS oder eben UMTS, soweit dies verfügbar ist. Die im "Intelligent Edge" eingebaute "IP-Awareness" soll dabei so weit gehen, dass ein Videostream direkt zwischen zwei Terminals gesendet werden kann, wenn das Netz feststellt, dass sich beide Geräte in derselben Funkzelle befinden. Entfernen sie sich dann voneinander, wird die Videotelefonie abgeschaltet, die Sprachtelefonie jedoch weiter geführt.
Mobilnetzbetreiber oder auch Festnetzbetreiber, die ihre Kunden behalten wollen, müssen nach Nokia zwei neue Komponenten anschaffen, ohne die das "Intelligent Edge" nicht rund läuft. Kernstück des Systems ist das neue Nokia MSC Server System (MSS), in das sich ebenfalls neue IP Multimedia Subsystem Server (IMS) einklinken. Das Besondere an der neuen Technik ist, dass IMS-Server nicht unbedingt vom Netzbetreiber angeschafft werden müssen, sondern auch bei "Content-Operatoren" stehen können. Ähnlich wie bei Visual Radio, wo es die Radioanstalten sind, die ihre Hardware von Hewlett-Packard beziehen, sollen Firmen, die mit dem Verkauf von Video oder Musik an Mobilkunden ihr Geschäft machen, die nötigen IMS-Server installieren. Die herkömmlichen Netzbetreiber müssen diesem Modell nach ihre Netze "nur" um die nötigen MSC Server-Systeme erweitern.
Nicht nur den Mobilfunkern, auch den traditionellen Festnetzanbietern verspricht Nokia eine goldene Zukunft: In einem paketvermittelten Netz kann schließlich auch mit Voice-over-IP telefoniert werden. Während das klassische Telefonsystem (PSTN) auf den Müll wandert, telefoniert der Endverbraucher zu Hause mit seinem Handy mittels VoIP, lautet Nokias Vision. Mit der Anschaffung von IMS-Servern können herkömmliche Funknetzbetreiber damit zu dem werden, was auch Nokia Mobile Virtual Network Operators (MVNO) nennt. Bleibt die Frage, ob die Kommunikationsanbieter bei diesen Plänen von Nokia (die Konkurrent Ericsson in ähnlicher Form auch schon vorgestellt hat) mitziehen. Verbinden ist eine Kunst, Verkaufen eine andere. (Detlef Borchers) / (jk)