devopsdays 2010 in Hamburg

Unter dem Einsatz agiler Techniken Lücken zwischen Projektentwicklung und Betrieb zu schließen - dieses Motto hat sich die 2009 initiierte devops-Bewegung auf die Fahnen geschrieben. In Hamburg trafen sich Anhänger des neuen Konzepts.

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Von
  • Schlomo Schapiro
  • Ingmar Krusch
Inhaltsverzeichnis

Unter dem Einsatz agiler Techniken Lücken zwischen Projektentwicklung und Betrieb zu schließen – dieses Motto hat sich die 2009 initiierte devops-Bewegung auf die Fahnen geschrieben. In Hamburg trafen sich auf der zugehörigen Konferenz devopsdays Anhänger des neuen Konzepts.

"Bridging the gap between projects and operations by using agile techniques both in development, project management and system administration." Mit diesem Satz beschreibt Patrick Debois den Ansatz der von ihm 2009 mitbegründeten devops-Bewegung. Rund 110 Teilnehmer nutzten Mitte Oktober die Gelegenheit, sich auf den devopsdays 2010 zwei Tage mit den agilen Methoden auch praktisch auseinanderzusetzen. Die Veranstaltung unterschied sich wohltuend von etablierten Konferenzformaten und stellte – agile Paradigmen vorlebend – das Gespräch sowie die Interaktion mit den Teilnehmern in den Vordergrund.

Stephen Nelson-Smiths Vortrag "Devops for Business – Lessons Learned" ging gleich zu Beginn auf einen Knackpunkt der devops-Bewegung ein: das Nutzen agiler Prinzipien im Systembetrieb und für die Systementwicklung. Am Beispiel einer devops-Einführung bei einem Drupal-Adminteam in einer englischen Regierungsbehörde zeigte er anschaulich die Erfolge und Fallen auf dem Weg zu einer agilen Betriebsumgebung. Die konsequente Umstellung auf Open-Source-Tools wie Puppet und Fabric sowie die durchgehende Paketierung aller Inhalte auf den Servern verbesserten die Umgebung hinsichtlich der Verfügbarkeit und Verwaltbarkeit deutlich.

Stephen Nelson-Smith

(Bild: Schlomo Schapiro)

Die entscheidende Umstellung fand jedoch in den Köpfen statt, weil Infrastruktur als Code betrachtet wurde beziehungsweise Entwickler und Betriebler zusammen am gemeinsamen Code der Betriebsumgebung arbeiteten und sich dadurch vermehrt respektierten. Für das Unternehmen wurde aus einer Entwicklungs- und einer Betriebsabteilung ein schlagkräftiges technisches Team, das nun die Gesamtverantwortung trägt.

Jez Humble zeigte in seinem Vortrag "Continuous Delivery", wie man von einem "klassischen" IT-Betrieb mit seltenen Releases zu einem agilen mit häufigen Releases und jeweils nur kleinen Änderungen kommt. Der sich daraus ergebende Vorteil ist die Reduktion des Risikos, da die Veränderungen nur gering sind und sich Probleme daher schnell finden und lösen lassen. In der Web-2.0-Welt sind häufige Releases Standard; Kernfaktoren des Erfolgs sind hier schnelle und automatische Softwaretests, die eine hohe Aussagekraft über die produktive Belastbarkeit der Software erlauben. In seinem Buch "Continuous Delivery" vertieft Humble den in seinem Vortrag thematisierten Inhalt.

Sam Newman und Chris Read zeigten in ihrem Vortrag "Squid Wrangling", wie sie die Caching-Probleme eines von Europas größten Onlineportalen gelöst haben. Neben den konkreten technischen Feinheiten zeigten sie auf, welchen entscheidenden Anteil das Insourcing von Know-how und die Änderung bei der Zusammenarbeit am erfolgreichen Neuentwurf und Ausliefern einer für das Portal zentralen Architekturkomponente hatten.

Kernbotschaften sind in dem Kontext die evolutionäre Weiterentwicklung von Technik und die schrittweise Zusammenarbeit. Als entscheidenden Faktor bei der Auswahl für ein Produkt sehen die Referenten, ob dessen Komplexität für die zu lösende Aufgabe angemessen und ob es von den Mitarbeitern beherrschbar ist. Das Know-how ist konsequent in devops durch Schulung der Mitarbeiter und Recruiting geeigneter Skillsets auszubauen. Wichtig ist hierbei eine integrative Zusammenarbeit durch kommunikative Nähe und das Herausarbeiten einer gemeinsamen Sprache, um als Team die Aufgaben im Gesamtkontext von devops verstehen und lösen zu können.

Die Veränderung der Mentalität bei der devops-Kernaussage "Infrastructure as Code" zeigte sich darin deutlich. Eine der "lessons learned" beim Übergang in der Zusammenarbeit durch Codesharing und räumliche Nähe ist, dass je intensiver man das forciert, desto mehr Ablehnung bei den Teilnehmern entsteht. Die Konsequenz ist daher klar: "be gentle and give room for failure". Der Prozess der Teambildung ist manchmal wichtiger als konkrete technische Entscheidungen. Nachdem man sich gemeinsam für eine Lösung entschieden hat, ist es viel leichter, sich später zusammen für die nächste und bessere Lösung zu entscheiden.

In einer Fishbowl-Session (alle sitzen im Kreis, in der Mitte findet eine Podiumsdiskussion mit Teilnehmern statt) wurde intensiv über Kanban im Betrieb diskutiert. David Anderson, einer der Gründer der Arbeitsmethode, hatte Kanban im letzten Jahr auf der Veranstaltung vorgestellt; dieses Mal wiesen einige Teilnehmer auf ihre Erfahrungen mit Kanban hin. Dabei verdeutlichten kritische Stimmen, dass Kanban nicht für jede Aufgabe eine Lösung darstelle. Es ist wichtig, die Kanban-Idee von unten im Team einzuführen und nicht als Vorgabe von oben. Die meisten Erfolgsstorys finden sich bei Teams, die von sich aus Kanban als Arbeitsmethode gewählt haben.

Für das Management kann dagegen Kanban ein schwieriges Thema sein, da es oberflächlich betrachtet wie ein Verlust an Kontrolle wirkt. Tatsächlich hilft die Methode jedoch, ein neues und belastbareres Verhältnis zwischen Team und Management zu schaffen, in dem das Management seine Rolle weniger in der Kontrolle als in der Unterstützung des Teams sieht und die Interessen des Teams im Unternehmen vertritt. Dadurch bekommt das Management den zeitlichen Freiraum, sich intensiver in die strategische Weiterentwicklung der Organisation zu involvieren.

Das Planning Board für die Open-Space-Sitzungen - Agilität pur

(Bild: Stefan Goethals)

Bei Spike Morellis Vortrag "Runtime changes are the weeds killing your crops" wurde die Stärke einer agilen Konferenz besonders augenscheinlich. Der Sprecher stellte eine bei Linden Lab, den Entwicklern von Second Life, umgesetzte Deployment-Lösung vor. Sie basiert auf der Paketierung von kompletten VM-Images inklusive der Applikation und der Konfiguration. Die Images konnten die einzelnen Schritte von der Entwicklung über die Qualitätssicherung durchlaufen, um schließlich in Produktion auf circa 10.000 Maschinen zu laufen. Als Vorteil der Entwicklung sind die Maximierung an Wiederholbarkeit und die Vorhersagbarkeit des Deployments zu sehen.

Im Q&A-Teil des Vortrags entwickelte sich nun eine rege Diskussion zwischen Sprecher und Teilnehmern über das Aufspalten einer Konfiguration in Templates und den tatsächlichen Konfigurationswerten als Daten. Durch das offene und diskussionsfreudige Format waren viele Teilnehmer mit den konzeptionellen Abwägungen vom Vortag zum Thema Konfigurationspaketierung vertraut und konnten so an einer konzeptionellen Evolution der vorgetragenen Idee mitwirken. Ein gutes Beispiel für den durchgängig intensiven Austausch mit Gleichgesinnten auf den devopsdays.

Zwar war die Konferenz sehr fordernd, dennoch hat sich der Besuch für die Autoren gelohnt. Die Planung der nächsten Konferenz soll – ganz agil – kurzfristig über die Webseite erfolgen.Mehr Eindrücke von der Konferenz bietet die Flickr-Bilderschau hier.

Schlomo Schapiro
ist Systemarchitekt und Open-Source-Evangelist bei der Immobilien Scout GmbH in Berlin.

Ingmar Krusch
ist Systemarchitekt und stellvertretender Abteilungsleiter Architektur bei der Immobilien Scout GmbH in Berlin.
(ane)