Was ist eigentlich ein Team?

Nicht zuletzt dank agiler Verfahren wird in den letzten Jahren öfter über die Selbstorganisation von Teams gesprochen. Doch was ist eigentlich ein Team?

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Von
  • Bernd Oestereich
Inhaltsverzeichnis

Nicht zuletzt dank agiler Verfahren wird in den letzten Jahren öfter über die Selbstorganisation von Teams gesprochen. Bevor ich hierzu etwas beitrage, möchte ich erst mal meine Gedanken zu der Frage bringen, was eigentlich ein Team ist. Der Antwort möchte ich mich nähern, in dem ich vor allem verschiedene Gruppengrößen und die Besonderheiten der Kopplung der Gruppenmitglieder unterscheide:

  1. Zweierbeziehungen (auf die ich hier nicht näher eingehe)
  2. Gruppen
  3. Teams als spezielle Art von Gruppe
  4. Familien
  5. Organisationen

Ganz allgemein folge ich einer systemischen Definition, wonach Gruppen soziale Systeme sind, die durch Kommunikation von Akteuren entstehen. Ein charakteristisches Merkmal von Gruppen ist, dass ihre Mitglieder alltäglich und, ohne sich dafür verabreden zu müssen, die Möglichkeit zur Kommunikation von Angesicht zu Angesicht haben.

In Teams wird, ähnlich wie in Familien, vorwiegend personenbezogen kommuniziert. Die Teammitglieder verbindet eine gemeinsame Geschichte, in deren Verlauf sich persönliche und emotionale Beziehungen entwickelt haben, die nicht alleine durch formalisierte Rollenbeziehungen bestimmt sind.

Wenn Menschen, die sich nicht kennen, sich zufällig zu einer Gruppe zusammenfinden, beispielsweise in der Warteschlange beim Bäcker oder als Reisende in einem Zugabteil, dann haben sie keine gemeinsame Geschichte und keine emotionale Beziehung. Das kann sich ändern, wenn beispielsweise ein gemeinsames Erlebnis (eine technische Störung, ein Streit zwischen Reisenden o. Ä.) die Kommunikation verändert und die Menschen sich über ein gemeinsames Ziel (Lösung oder Umgang mit dem Problem) verbinden.

Teams sind Gruppen, aber Gruppen nur bedingt Teams. Sofern man Teams und Gruppen unterscheiden möchte, sind es die persönlichen und emotionalen Beziehungen der Mitglieder, die im Team stark und in der Gruppe wenig oder gar nicht ausgeprägt sind, sowie die größere Heterogenität von Teams.

Die Menschen in einer Gruppe, etwa die Reisenden im Abteil, sind zunächst eine heterogene Gruppe: es sind alles Reisende. Die Menschen sind eigentlich zwar sehr unterschiedlich – aber solange diese Besonderheiten nicht in die Kommunikation einfließen, hat dies keine Relevanz für das soziale System.

Die Ungleichheit der Beteiligten, sei es in ihrer sachlichen oder emotionalen Kompetenz, ist eine der Voraussetzungen für das Funktionieren von Teams. Wenn alle Menschen das Gleiche können und tun, braucht man kein Team. Das könnte jeder der Beteiligten im Prinzip auch alleine machen. Wo es nur um die quantitative Vermehrung derselben Funktionen geht, braucht man kein Team.

In Teams sind die Akteure loser gekoppelt als in Familien, das heißt, Teammitglieder sind zwar unterschiedlich, aber prinzipiell austauschbar, Familienmitglieder hingegen nicht. Manche Teammitglieder sind besser austauschbar als andere, einige sind gegebenenfalls sogar identitätsstiftend für das Team. Deswegen ist bei einem Austausch eines Mitglieds das Team hinterher oft ein anderes als vorher, da sich die persönliche und emotionale Beziehungsstruktur und gegebenenfalls Identifikationspunkte geändert haben. In der Gruppe hingegen sind die Mitglieder nochmals loser gekoppelt als in Teams, das heißt, ihr Austausch verändert die Gruppe wenig.

Teams sind soziale Systeme, die ein hohes Maß an Selbstorganisation aufweisen und in denen sich die Entwicklung informeller Regeln nicht vermeiden lässt.Teams wird von außen meistens eine kollektive Identität zugeschrieben ("ihr"), und ebenso erlebt ein Team auch intern eine Identität ("wir"). Jedes Teammitglied hat Mitverantwortung und Einfluss auf das gemeinsame Außenbild. Ein einzelnes Mitglied kann nach außen hin das gemeinsame Ansehen beschädigen, weswegen intern typischerweise ein hohes Maß an sozialer Kontrolle und Abhängigkeit existiert.

In einer Familie sind die Mitglieder stark miteinander gekoppelt, eine Familie hat aber eine größere Flexibilität der Interaktionsmuster, ihre Aktionen sind nur lose gekoppelt. Wenn die Mutter krank ist, pflegt das Kind temporär die Mutter, obwohl diese Aufgaben (Aktionen) sonst eher umgekehrt verteilt sind. Gruppen (und noch viel mehr Unternehmen beziehungsweise Organisationen) haben starrere Interaktionsmuster und fester gekoppelte Aktionen (Hierarchien, Geschäftsprozesse).

Als Organisationen bezeichnen wir große Gruppen. Organisationen sind wie Gruppen soziale Systeme, die durch Kommunikation entstehen und am Leben gehalten werden, aber diese Kommunikation ist nicht auf den direkten Kontakt von Angesicht zu Angesicht angewiesen.

Eine Gruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass in ihr jedes Mitglied mit jedem anderen unmittelbar (sofort) und direkt kommunizieren kann. Da die Zahl der möglichen Zweierbeziehungen expotenziell mit der Gruppengröße steigt, ist oft ab acht, spätestens aber ab zwölf Personen eine Größe erreicht, die diese Kommunikationsmöglichkeit unwahrscheinlich macht.

Für größere "Gruppen" bedarf es anderer Kommunikationsformen (Medien und Strukturen). Organisationen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie entsprechende Kommunikationsformen ausgebildet haben. Unternehmen sind Organisationen. ()