China lobt die IETF: "Kultur der Offenheit"

Ganz neue Töne schlagen chinesische Offizielle nach der IETF-Tagung in Peking an; sie loben die "offene Zusammenarbeit zum Wohl des gesamten Netze". China will sich stärker mit eigenen Standardvorschlägen bei der Internet-Standardisierungsorganisation einbringen.

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Von
  • Anna P. Neven

Die chinesischen Gastgeber des 79. Meetings der Internet Engineering Task Force (IETF) in Peking zeigten sich zum Abschluss angetan von der "Kultur der Offenheit" der Internet-Standardisierungsorganisation. Die Chefin der chinesischen Internet Society, Hu Qiheng, sagte: "Wer Patente und Lizenzgebühren will, braucht nicht zur IETF zu kommen." Die IETF habe hier sehr strenge Regeln, betonte Hu bei der ersten IETF-Pressekonferenz in der Geschichte der Organisation. Mindestens müssten die Entwickler bereit sein, ihr Geistiges Eigentum offenzulegen und zu teilen. Wu Jianping, Direktor des National Engineering Laboratory for Next Generation Internet Backbone der Tsinghua Universität sagte, er bewundere die offene Zusammenarbeit zum Wohl des gesamten Netzes. Er hoffe, dass China auch vom Geist der Innovation lerne, der in der IETF herrsche. Die IETF nach China zu holen, sei ein "großes Ding" gewesen.

Chinesische Internetentwickler sollten künftig mehr Standardvorschläge bei der fürs IP-Protokoll maßgeblichen Organisation einreichen, sagte Mao Wei vom China Network Information Center (CNNIC), dem dritten Gastgeber. Zwar habe die Zahl der RFC-Vorschläge aus China in den vergangenen Jahren zugenommen, sie liege aber aktuell bei gerade mal 1 Prozent, so Mao. Ingenieure chinesischer Netzbetreiber und Unternehmen von China Telecom bis Huawei und chinesische Wissenschaftler stellten bei dem erstmals in der Volksrepublik abgehaltenen IETF die größte Teilnehmergruppe und überflügelten die Kollegen aus den USA, die in den vergangenen Jahren mit einer Ausnahme die Mehrheit gestellt hatten.

Vor allem die Themen Internationalisierung im Domain Name System und IPv6 interessieren die chinesische Internetentwickler. Nach den internationalisierten Domains sind die Experten aktuell dabei, auch für nicht in lateinischer Schrift geschriebene E-Mail-Adressen ein Standardset fertigzustellen. Wie lange es dauern wird, dass E-Mails in verschiedenen Schriften wirklich ohne Probleme ausgetauscht werden können, ist fraglich. Noch halten sich die großen Mailprovider hier sehr zurück.

Eine klare Position gegen nachgeschobene Ansprüche einiger Netzbetreiber, die IETF solle bei IANA ein gutes Wort wegen zusätzlicher IPv4-Adressen einlegen, äußerte eine junge Vertreterin von China Telekom. Dass die Unternehmen die jetzt so knapp gewordenen IPv4-Adressen beanspruchen, um ihre hausgemachten Probleme zu lösen, sei einfach unfair, sagte sie. Der Vorschlag sieht vor, die eigentlich öffentlichen Adressen für die Nutzung als private IP-Adressen nur zwischen nicht IPv6-fähigen Homeroutern und dem Carriernetz zuzuteilen und dann noch das bei der IETF ungeliebte dreifache IPv4-NAT (NAT 444) zur maximalen Ausnutzung der wenigen IPv4-Adressen einzusetzen.

Die Chefs der "V6 Operations"-Arbeitsgruppe, Fred Baker und Kurt Lindqist, rieten den hauptsächlich aus den USA stammenden Unternehmen, sich ein Beispiel an Entwicklungsländern zu nehmen. Dort müssten die Netzbetreiber mit wesentlich weniger IP-Adressen auskommen und führten dennoch, wie etwa China Telecom, verstärkt IPv6 ein. Die Vertreterin der China Telecom sagte, der öffentliche IPv4-Adresspool gehöre "der ganzen Welt."

Die Annäherung zwischen IETF und China – und auch zwischen der als rechtliches Dach und größter Geldgeber der IETF fungierenden Internet Society (ISOC) und der staatlich kontrollierten Internet Society in China – wurde über Jahre vorbereitet. Unterschiede bei der Auslegung der Kultur der Offenheit dürften aber für eine Weile fortbestehen – dafür gab es mit der Blockierung einiger IETF-Inhalte für chinesische Nutzer gleich während des IETF-Meetings ein überdeutliches Beispiel. (jk)