Vorratsdatenspeicherung: Schaar schlägt "Quick Freeze Plus" vor

Bundesdatenschützer Peter Schaar hat sich auf einer Datenschutztagung für eine Speicherung der Verbindungsdaten "von einigen wenigen Tagen" ausgesprochen, "damit die Strafverfolger überhaupt eine Chance haben". Das Verfahren, bei dem die Behörden die vollen Kosten tragen sollen, solle probehalber die derzeit nicht angewendeten Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung ersetzen, die eine Speicherdauer von 6 Monaten vorsehen.

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Von
  • Detlef Borchers

Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, hat sich auf einer Datenschutztagung für eine Speicherung der Verbindungsdaten "von einigen wenigen Tagen" ausgesprochen, "damit die Strafverfolger überhaupt eine Chance haben". Das Verfahren, bei dem die Behörden die vollen Kosten tragen sollen, solle probehalber die derzeit nicht angewendeten Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung ersetzen, die eine Speicherungsdauer von 6 Monaten vorsehen.

Auf dem Triberger Symposium zum "Datenschutz im 21. Jahrhundert" referierte Schaar über ein modernes Datenschutzrecht. Die von ihm "Quick Freeze Plus" genannte Speicherdauer sei ein Vorschlag, der ausprobiert werden müsse. "Wir müssen Erfahrungen mit Alternativen geringer Eingriffstiefe sammeln", meinte Schaar. Während der alte Datenschutz basierend auf den IT-Erfahrungen der 60er- und 70er-Jahre bestrebt gewesen sei, "Mauern zwischen Großrechnern" zu ziehen, müsse ein moderner Datenschutz andere Wege gehen. "Die Datenverarbeitung vom Bürger fernzuhalten, ist obsolet." Dabei müsse man nach wie vor am Grundsatz der Erforderlichkeit wie am Grundsatz der Zweckbindung festhalten, während die klassischen Rollenkonzepte des Datenschutzes wie "datenverarbeitende Stelle", Auftragnehmer und Betroffene überdacht werden müssten. So müsse das Auskunftsrecht von Bürgern gegenüber Behörden und Firmen grundsätzlich online verfügbar sein.

Das Triberger Symposium wurde vom baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll (FDP) eröffnet. Goll schilderte seiner Beobachtung, wonach alle Datenschützer, die länger im Amt seien, einen "Prozess der Radikalisierung" durchlaufen würden angesichts der Erfahrung, wie lässig der Datenschutz in Deutschland mitunter gehandhabt werde. Sein "Aha-Erlebnis" habe er bei der Diskussion um den elektronischen Einkommensnachweis ELENA gehabt, bei dem Daten auf Vorrat für künftige Abfragen von Sozialbehörden gespeichert werden. "Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film", sagte Goll.

Der in Mannheim lehrende Jurist Matthias Bäcker ging der Frage nach, wie es um das ehrwürdige Recht auf informationelle Selbstbestimmung im 21. Jahrhundert bestellt ist, das mit dem sogenannten Volkszählungsurteil 1984 in die Welt trat. "Komplexe IT, die selbst Experten nicht beherrschen, lassen die Selbstbestimmung des Einzelnen als illusorisch erscheinen", resümierte Bäcker. (pmz)