Bundesregierung hält Kennzeichnung für Nanoprodukte für "nicht zielführend"

Berlin plant keine obligatorische Kennzeichnung für Produkte mit Nanomaterialien, will eine solche Pflicht aber im Einzelfall und für einzelne Produktklassen prüfen. Eine EU-Verordnung sieht etwa eine Notifizierung für bestimmte Materialien in Kosmetik vor.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die Nanotechnik zählt weltweit zu den Schlüsseltechnologien. Die Bundesregierung investierte 2010 rund 400 Millionen Euro in die Forschung, 2005 waren es 245 Millionen. Rund 6 Prozent der Fördergelder gehen in die Risikoforschung. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht lehnt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage (PDF-Datei) der SPD-Bundestagsfraktion aber ab.

Nanotechnologien definieren sich vor allem über die Größe der Teilchen und Prozesse: Sie muss unter 100 Nanometern liegen. Weil sich in diesem Größenbereich die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Materialien ändern, können neue Produkte und Anwendungen entstehen. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts zeigt, dass Nanotechniken hohe Entlastungseffekte für die Umwelt haben können.

Die Nanotechnik birgt allerdings nicht nur Potenzial für Produktinnovationen. Kritiker weisen auf Risiken für Umwelt und Gesundheit hin und stellen die Nanotechnik auf eine Ebene mit der Gen- und Atomtechnik. Eine vom Bundesinstitut für Risikobewertung im Jahr 2007 durchgeführte Befragung von 1000 Verbrauchern zeigte eine ambivalente Haltung: 66 Prozent versprechen sich von der Nanotechnologie eher Nutzen als Risiken. Skeptischer zeigten sie sich jedoch im Bereich von kosmetischen Mitteln mit nur 53 Prozent Zustimmung. Den Einsatz von Nanotechnologie in Lebensmitteln lehnte eine deutliche Mehrheit ab.

Vor fast genau einem Jahr warnte das Umweltbundesamt davor, es sei nicht auszuschließen, dass Nanopartikel über Atemwege, Haut und Mund aufgenommen werden und aufgrund ihrer geringen Größe in den Blutkreislauf gelangen könnten. Auch sei nicht auszuschließen, dass die Partikel in der Lunge ähnliche Wirkung wie Asbestfasern entfalten könnten. Das Umweltbundesamt forderte daher ein Meldesystem für Nanomaterialien in Form eines Produktregisters, das laut einer Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundesumweltministeriums auch realisierbar ist.

Die Bundesregierung hält eine obligatorische Kennzeichnung jedoch für "nicht zielführend". Man müsse eine derartige Pflicht im Einzelfall für einzelne Produktklassen prüfen, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Geplant ist beispielsweise eine Datenbank mit einem Überblick über alle Medizinprodukte, die in Europa vermarktet werden. Hohes Anwendungspotenzial sieht die Bundesregierung im Bereich von Diagnostika wie etwa Nanopartikel-basierten Kontrastmitteln oder Frühdiagnose-Tests für Krebs, Alzheimer oder Multipler Sklerose.

Eine der ersten Nano-Regulierungen ist im kosmetischen Bereich zu erwarten. So sieht eine EU-Verordnung eine Notifizierung für bestimmte Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln bei der Europäischen Kommission vor. Sie prüft anhand der vorgelegten Informationen, ob Risikomanagementmaßnahmen notwendig sind. Nanomaterialien wie Farb- und Konservierungsstoffe oder UV-Filter, für die Positivlisten existieren, müssen ein eigenständiges Zulassungsverfahren durchlaufen.

6,2 Prozent der Fördergelder investiert die Bundesregierung in die Risikoforschung – in keinem anderen Industrieland ist dieser Anteil so hoch. Eine generelle Beurteilung der Technik ist bis heute nicht möglich, doch für einzelne Bereiche gibt es bereits Ergebnisse. Unter der Beteiligung des Umweltbundesamtes wird bei der OECD eine Datenbank zu internationalen Projekten im Bereich der Risikoforschung von Nanomaterialien eingerichtet. (vbr)