Hat Fernsehkonsum etwas mit Autismus zu tun?

Ein US-Wissenschaftler will in einer Studie einen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung des Fernsehens und der Zunahme autistischer Kinder festgestellt haben.

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Von
  • Florian Rötzer

Man geht davon aus, dass etwa 0,5 Prozent der Kinder unter Autismus oder verwandten Störungen leiden, eine neuere Studie hat den Wert auf ein Prozent heraufgesetzt. Über die Ursachen der Störung gibt es wenig Einigkeit. Angeboten werden viele Erklärungen von genetischen Faktoren über Impfungen, Giften in der Umwelt, höherem Alter der Väter bis hin zu Medien oder psychosozialen Faktoren.

In seiner vor kurzem veröffentlichten Studie hat Michael Waldman von der Cornell University einen Zusammenhang der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Zunahme des Autismus mit der Ausbreitung des Fernsehens festgestellt. Nach den Centers for Disease Control and Prevention hat es seit 1980 eine Verzehnfachung der Kinder gegeben, die unter Autisus leiden. Zwar sei allgemein anerkannt, so Waldman, dass es sich um ein genetisch bedingtes Phänomen handele, doch umstritten sei, was als Auslöser auftritt, auch wenn die starke Zunahme teilweise einer Erweiterung der Diagnose und/oder einer besseren Erkennung zu verdanken ist.

Für Waldman lag der Verdacht nahe, dass die parallele Zunahme des Autismus und des Fernsehkonsums irgendetwas miteinander zu tun haben könnten. Weil es aber praktisch keine Daten gibt, um die Hypothese einer Verbindung zwischen Fernsehkonsum und autistischen Kindern im Alter bis zu drei Jahren, in dem Autismus meist diagnostiziert wird, zu überprüfen, verwendete Waldman andere mögliche Korrelationen. Er versuchte die Zahl der autistischen Kinder mit den Abonnements für Kabelfernsehen und mit dem Vorhandensein von schlechtem Wetter zu verbinden. Nach Umfragen habe sich nämlich gezeigt, dass erhöhter Fernsehkonsum auch bei Kleinkindern bei schlechtem Wetter häufiger sei.

Tatsächlich hat sich in bestimmten Counties in Kalifornien, Washington, Oregon und Pennsylvania eine vom Geschlecht, von Herkunft und Haushaltseinkommen unabhängige Korrelation zwischen gemeldeten autistischen Fällen und der Zunahme von Abonnements für das Kabelfernsehen ergeben. Verstärkt wird dieses Ergebnis dadurch, dass bei Amish-Kindern, die weitgehend ohne Elektrizität und damit auch ohne Medien aufwachsen, Autismus nur sehr selten vorkommt. Es konnte auch eine Verbindung zwischen Autismus und Regentagen hergestellt werden. Beides sagt kausal natürlich überhaupt nichts aus, gleichwohl kommt Waldman zu dem Ergebnis, dass sich die Zunahme des Autismus um 17 Prozent in Kalifornien und Pennsylvania während der 70er und 80er Jahre der „Zunahme des Kabelfernsehens“ verdanke. Als Wissenschaftler weist Waldman natürlich daraufhin, dass die von ihm festgestellte Korrelation kein Beweis für eine tatsächliche Verbindung von Fernsehkonsum und Autismus ist. Man müsse weitere Studien ausführen, um das belegen oder widerlegen zu können.

Siehe dazu auch in Telepolis: Ist das Autismusrisiko bei Kindern von Technikern höher? (fr)