Niedersächsisches Innenministerium verteidigt Drohneneinsatz bei Castor-Transport

Der Einsatz einer Überwachungsdrohne bei Demonstrationen gegen den Transport von Castoren in das Atommülllager Gorleben in der vergangenen Woche ist nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums zulässig gewesen. Das Fluggerät vom Typ "md4-200" der Firma Microdrones war bereits im Jahr 2008 angeschafft worden, kam jetzt aber erst zu seinem ersten "echten Einsatz".

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Quadrokopter-Armada von Microdrones

(Bild: Microdrones)

Der erstmalige Einsatz einer Überwachungsdrohne bei Demonstrationen gegen den Transport von Castoren in das Atommülllager Gorleben in der vergangenen Woche ist nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums zulässig gewesen. Für Luftaufnahmen der Drohne gälten die gleichen Rechtsgrundlagen wie bei anderen von der Polizei durchgeführten Videoaufzeichnungen, erklärte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Hannover. Ob Videobilder bei einer Demonstration nun von einem bemannten Hubschrauber aus oder von einer unbemannten Drohne erstellt würden, mache rechtlich keinen Unterschied.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass es bei den Protesten im Wendland gegen den diesjährigen Castor-Transport insgesamt vier Starts eines unbemannten Quadrokopters gegeben hatte, darunter ein Test- und drei Aufklärungsflüge. Das Fluggerät vom Typ "md4-200" der Firma Microdrones war im Jahr 2008 vom niedersächsischen Innenministerium für 47.000 Euro angeschafft worden. Als Einsatzbeispiele nannte Innenminister Uwe Schünemann damals etwa die "Vorbereitung von Maßnahmen der Spezialeinheiten der Polizei gegen bewaffnete Straftäter sowie die Verhinderung oder Verringerung der Schadensausweitung für die Bevölkerung bei Gefahrenlagen".

Laut Innenministerium war die Drohne beim Castor-Transport zum ersten Mal im "echten Einsatz", zuvor habe man lediglich die Flugeigenschaften des Quadrokopters und seine optischen Fähigkeiten getestet. Früheren Angaben zufolge wurden insgesamt sechs Polizeibeamte als sogenannte Luftfahrzeugfernführer eingewiesen und zertifiziert. Erworben hatte man damals ein Microdrones-Paket, das den Qudrokopter "md4-200", ein "Base Station Set" mit Videobrille, Software sowie eine Tageslichtkamera und eine Dämmerungskamera umfasst (PDF-Datei). Informationen darüber, ob das System in den vergangenen beiden Jahren noch erweitert wurde, liegen derzeit nicht vor.

Base Station des Quadrokopters "md4-200"

(Bild: Microdrones)

Ministeriumsangaben zufolge liefert die Drohne bei "Einsätzen in normaler Flughöhe" lediglich Übersichtsaufnahmen, auf denen "einzelne Demonstranten nicht identifizierbar" seien. Dies würde allerdings dem erklärten Ziel widersprechen, wonach der Drohneneinsatz insbesondere dazu genutzt werden sollte, um mit den Aufnahmen "eine nachträgliche Aufklärung von Straftaten zu ermöglichen". Bei der Präsentation eines Quadrokopters vom selben Typ, den die sächsische Polizei 2008 angeschafft hatte, konnte sich heise online davon überzeugen, dass es möglich ist, Gesichter von Personen selbst aus einer Höhe von 50 Metern noch "gestochen scharf" zu erkennen. Auch Kfz-Kennzeichen konnten identifiziert werden. Nötig ist dafür lediglich eine Erweiterung des optischen Systems um eine Digitalkamera.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg hatte "die Ausspähung des Protestgeschehens durch Drohnen" am Dienstag als "rechtlich äußerst problematisch" bezeichnet und sich dabei unter anderem auf den niedersächsischen Datenschutzbeauftragten Joachim Wahlbrink berufen. Ein Sprecher Wahlbrinks erklärte jetzt aber, die Flüge seien aus rechtlicher Sicht grundsätzlich zulässig. Auch habe eine datenschutzrechtlich erforderliche Vorabkontrolle des Gerätes stattgefunden, eine technische Beschreibung liege ebenfalls vor. Sogar Porträtaufnahmen dürften mit der Drohne angefertigt werden, sollten konkrete Hinweise auf Straftaten oder erhebliche Ordnungswidrigkeiten vorliegen.

Ein sächsischer "md4-200" in der Luft

(Bild: heise online)

Das Innenministerium betont hingegen, das System habe gar nicht die Fähigkeit, Gesichter einzelner Personen heranzuzoomen. Es sei aber "wohl technisch möglich", aus den Videoaufzeichnungen "später Bildausschnitte zu vergrößern". Dass eine Systemerweiterung schon 2008 in Niedersachsen angedacht war, belegen Äußerungen von Innenminister Schünemann, der mit Bezug auf die Warnmöglichkeiten bei Gefahrenlagen gesagt hatte: "Ein mit Kameras oder Gas- und Sensortechnik ausgestattetes UAS (Unmanned Arial System, die Red.) kann den Einsatzkräften hilfreiche Dienste leisten." Und Microdrones wirbt bei den Einsatzmöglichkeiten seiner Quadrokopter mit dem Zusatz "... und alles, was Sie sich sonst noch vorstellen können!" (pmz)