Medica: Merkel betont Rolle der Medizintechnik

Bundeskanzlerin Angela Merkel verglich den exportorientierten Sektor der deutschen Medizintechnik mit der Rolle der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Chemie. Auch über die elektronische Gesundheitskarte wird auf der Medizinmesse diskutiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit mehr als 5000 Ausstellern für die Medizinmesse Medica samt der angeschlossenen Medizinproduktemesse Compamed ist Düsseldorf für vier Tage der Nabel der Medizinwelt. Dort verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die in der vorigen Woche beschlossene Gesundheitsreform. Sie schaffe mehr Solidarität unter den Versicherten, weil die Versicherungsbeiträge von den Arbeitskosten abgekoppelt würden. Den außerdem beschlossenen Zwang zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte erwähnte Merkel nicht.

Die Bundeskanzlerin verglich den exportorientierten Sektor der deutschen Medizintechnik mit der Rolle der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Chemie. Insbesondere der asiatische Markt und der Aufbau von sozial orientierten Gesundheitssystemen dort seien eine große Chance für die deutsche Medizin-Wirtschaft. Modernes Gesundheitsmanagement sei untrennbar mit der Kommunikations- und Informationstechnik verbunden, meinte die Kanzlerin, die für den kommenden IT-Gipfel der Bundesregierung in Dresden eine Initiative ankündigte, neue Wege der Kommunikation von Gesundheitsdaten zu beschreiten.

Merkel freute sich darüber, dass sich die Lebenserwartungen in Ost und West angeglichen haben. Dank des besseren Gesundheits- und vor allem des Rettungssystems würden Menschen in den neuen Bundesländern nicht mehr durchschnittlich sechs Jahre weniger zu leben haben wie früher im geteilten Deutschland. Vor der Bundeskanzlerin hatte bereits Gesundheitsminister Philipp Rösler zur Eröffnung des Deutschen Krankenhaustages die Gesundheitsreform verteidigt. Es sei abwegig, dabei von einer Zwangsmaßnahme zu sprechen. Rösler rief die Ärzte dazu auf, die sektorenübergreifende Behandlung zu verbessern und die Länder dazu, mehr in den stationären Sektor zu investieren.

"Wir haben eine Art Reset-Taste bei der Gesundheitskarte gedrückt. Jetzt starten wir neu, wie ein Computer", verkündete Moderator Jürgen Zurheide auf dem Forum der Medica Media, in dem die Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) diskutiert wurde. Damit erntete er Widerspruch von Thomas Ballast vom Verband der Ersatzkassen: "Wenn man auf den Reset-Knopf drückt, ist ein Virus aufgetaucht und im System." Ballast nannte die Anordnung, dass die Krankenkassen 2011 mindestens 10 Prozent ihrer Mitglieder mit einer eGK ausrüsten müssen "schlicht Unsinn". Nicht die Ausgabe der Karten sei das Problem, sondern die Ausrüstung der Praxen mit Lesegeräten. Ob und wie die Versicherten mit zwei verschiedenen Karten gleichzeitig umgehen, werde sich zeigen müssen. Die Akzeptanz für die neue Technik sei wichtig, damit die eGK nicht ein neues Stuttgart 21 werde.

Marlis Bredehorst, Staatssekretärin für Gesundheit in Nordrhein-Westfalen mahnte dazu, die Befürchtungen der Versicherten ernstzunehmen: "Die Angst vor Verletzungen des Datenschutzes wird von den Technikern unterschätzt." Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer und Befürworter der eGK, zeigte sich nicht erfreut über den Zwang, meinte aber, dass er nun auf Ärzte wie Patienten gleichermaßen verteilt sei. "Wir haben jetzt zwar Schloss und Schlüssel, brauchen aber noch Tore und Türen", meinte Mathias Blum als Vertreter der Krankenhäuser und machte damit auf das fehlende Angebot an Konnektoren aufmerksam. Er wies darauf hin, dass die Projektgesellschaft Gematik zwar eine neue Webseite hat, aber keine Termine mehr veröffentlicht.

Wozu das führt, konnte auf der Medica die Celectronic Health Division der niederländischen Firma CCV erfahren. Sie erhielt zwei Tage vor der Messe überraschend die Gematik-Zulassung für ihr eGK-Lesegerät Card Star /medic2, ein stationäres Gerät, das zudem als Docking Station für eine mobile Einheit dient. Diese mobile Einheit ist für Hausbesuche von Ärzten und für den Notfalldienst gedacht und kann unterwegs bis zu 200 Versichertendaten aus der Krankenversichertenkarte wie der Gesundheitskarte speichern. Das zugehörige stationäre Terminal kann von maximal 16 Anwendern benutzt werden, ohne dass Datensätze vermischt werden. Dieses sei ein absolutes Novum, erläuterte der Hersteller. (anw)