Post-Optimierung

E-Mails sind fĂĽr viele Nutzer noch immer Dreh- und Angelpunkt ihres Online-Lebens. Mehrere Start-ups versuchen deshalb, das elektronische Postfach intelligenter zu machen.

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Von
  • Erica Naone

E-Mails sind fĂĽr viele Nutzer noch immer Dreh- und Angelpunkt ihres Online-Lebens. Mehrere Start-ups versuchen deshalb, das elektronische Postfach intelligenter zu machen.

Die gute, alte E-Mail ist einfach nicht totzukriegen. Einer aktuellen Studie von Forrester Research zufolge versenden 83 Prozent aller geschäftlichen Nutzer lieber E-Mail-Anhänge an Kollegen, anstatt sich mit irgendeiner Web-basierten Lösung zur digitalen Zusammenarbeit herumzuschlagen. Dabei wäre der Bedarf groß: Die Beratungsfirma People-OnTheGo ermittelte kürzlich, dass der durchschnittliche Wissensarbeiter 3,3 Stunden pro Tag mit der Bearbeitung elektronischer Post verbringt. 65 Prozent dieser Personen haben ihre E-Mail-Software die ganze Zeit geöffnet.

Selbst bei Facebook, das zumindest bei jungen oder gut vernetzten Usern lange den Ruf eines möglichen E-Mail-Nachfolgers hatte, musste man kürzlich eingestehen, dass aus der Abschaffung der elektronischen Post vermutlich nichts wird. Stattdessen stellte das Unternehmen vergangene Woche einen neuen Messaging-Dienst vor, der externe E-Mails mit dem internen Nachrichtensystem des sozialen Netzwerks integriert. Das zeigt, wie mächtig die traditionsreiche E-Mail bleibt – sie wird nicht ersetzt, höchstens ergänzt.

Andere Software-Hersteller haben deshalb längst akzeptiert, dass es ihnen wohl nie ganz gelingen wird, die Aufmerksamkeit der Nutzer von ihrem E-Mail-Postfach wegzulenken. Stattdessen versuchen sie, der alten Technik neue Fähigkeiten beizubringen.

"Es ist klar, dass E-Mail weiter verwendet und misshandelt werden wird", meint Yaacov Cohen, Chef von Mainsoft, einem Start-up, das ein Plug-in namens "Harmon.ie" anbietet. Es vernetzt E-Mail-Programme mit Plattformen wie Google Docs, sozialen Netzwerken, Kalender-Anwendungen, Internet-Telefonie-Software und einigen Online-Werkzeugen mehr. Um ein Dokument mittels Harmon.ie mit anderen zu teilen, wird es aus einer Seitenleiste auf eine geöffnete E-Mail gezogen, wo daraus dann ein Link wird. Klickt der Empfänger auf den Link, wird das Dokument in der vorher gewählten Web-Anwendung geöffnet. Cohen hofft, Nutzer so davon abzubringen, ihre gesamte Zusammenarbeit direkt in der E-Mail-Software abzuwickeln. "Das schafft auf lange Sicht nur Verwirrung und überlastet die Technik letztlich."

Ein weiteres Start-up namens Meshin will E-Mails mit noch deutlich mehr Informationsquellen vernetzen. Die Firma hat dazu eine semantische Technik entwickelt, die aus elektronischer Post Inhalte extrahieren kann – Firmen- und Personennamen, beispielsweise, nach denen sich dann auch im Web und Fachdiensten suchen lässt. Bislang wurde ein Prototyp für Microsofts E-Mail-Software Outlook entwickelt. Das Meshin-Plug-in analysiert derzeit neben einlaufenden E-Mails auch RSS-Nachrichtenströme. In einer späteren Version sollen auch Twitter-Nachrichten, Blog-Einträge, Suchergebnisse und diverse andere Daten erfasst werden. Die verwendete Texterkennungs-Technik stammt ursprünglich vom renommierten Palo Alto Research Center.

Doch nicht alle E-Mail-Veränderungen finden in der Nutzersoftware statt. Isaac Saldana, Chef von SendGrid aus Colorado, glaubt, dass sich elektronische Post auch auf dem Weg vom Sender und Empfänger optimieren lässt. SendGrid hat dazu eine Technik entwickelt, die Spam ausfiltert, gleichzeitig aber auch Firmen dabei hilft, dass relevante Nachrichten nicht aus Versehen im Müllmail-Ordner landen. Mit diesem Ansatz ließe sich noch viel mehr erreichen, meint Saldana. Er denkt beispielsweise an das automatische Erkennen von Nutzerhandlungen. Wenn dieser per E-Mail versucht, eine große Datei zu versenden, greift sich das System dann diese Datei und leitet sie auf einen eigens dafür vorgesehenen Server um, der das viel effizienter erledigt. Der Empfänger bekommt dann automatisch einen Download-Link.

Die Idee dabei ist, dass Nutzer die meisten Aufgaben zwar weiterhin via gewohnter E-Mail erledigen könnten, dies dank Systemen wie SendGrid bald aber deutlich produktiver tun. Mails an bestimmte Adressen würden dann beispielsweise signalisieren, dass ein angehängtes Video zu YouTube weitergereicht werden soll oder dass der Text einer E-Mail zunächst in eine andere Sprache übersetzt werden muss.

Trotzdem soll sich am simplen Versand und Empfang elektronischer Nachrichten nichts ändern. "E-Mail ist überall", meint Saldana. Die wenigsten Menschen hätten die Geduld, ständig neue Anwendungen zu erlernen. "Wir leben in einer Zeit, in der wir schlicht zu viel zu tun haben." (bsc)