Low-Performer: die leistungsbedingte Kündigung und ihre Folgen

Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin, über Kündigungen wegen schlechter Arbeitsqualität und möglicher Kündigungsschutzklagen und Abfindungszahlungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Immer wieder werden Arbeitnehmer gekündigt, die entweder nicht die im Betrieb übliche Leistung erbringen oder bei ihrer Arbeit überdurchschnittlich viele Fehler machen. Tatsächlich kann ein Unternehmen einem Arbeitnehmer, dessen Leistungsmenge quantitativ oder qualitativ zu Wünschen übrig lässt oder der immer wieder schwere Fehler des Mitarbeiters hinnehmen muss, diesem kündigen. Denn der Arbeitnehmer ist ja laut seinem Arbeitsvertrag zu einer bestimmten Leistung verpflichtet. Erfüllt er diese nicht, dann gilt das Arbeitsverhältnis als dauerhaft gestört.

Allerdings hat der Gesetzgeber vorgesorgt, damit nicht jeder ungeliebte Mitarbeiter wegen angeblicher Minderleistung einfach "entsorgt" werden kann. Beispielsweise der Vertriebsmitarbeiter, dem so hohe Abschlussziele gesetzt werden, dass er sie gar nicht erreichen kann. Auch die individuelle Leistungsfähigkeit spielt durchaus eine Rolle bei der Beurteilung der Mitarbeiter-Performance.

Wie Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin, unter Berufung auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (17.1.2008, Az.: 2 AZR 536/06) erklärt, ist eine leistungsbedingte Kündigung rechtlich nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

  • Der Arbeitnehmer hat über einen längeren Zeitraum unterdurchschnittliche Leistungen erbracht. Er hat also z.B. entweder weniger produziert oder erheblich mehr Fehler gemacht als der Durchschnitt der Arbeitnehmer im Betrieb.
  • Der Arbeitnehmer ist nach seinen persönlichen Fähigkeiten zu einer besseren Leistung in der Lage.

"Grundsätzlich genügt ein Arbeitnehmer seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Es kommt also nicht darauf an, was die anderen Arbeitnehmer im Betrieb leisten", erklärt Rechtsanwalt Bredereck. "Die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote kann allerdings ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt." In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess darlegen, dass er trotz dieser unterdurchschnittlichen Leistung seine persönliche Arbeitsfähigkeit voll ausgeschöpft hat. Gelingt dies, sei die Kündigung tatsächlich unwirksam.

"In der Praxis dürfte es häufig schon ein großes Problem des Arbeitgebers sein, die durchschnittliche Leistung der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer darzustellen." Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht in bestimmten Stückzahlen produziert wird, etwa bei geistiger Arbeit. Auch schuldet der Arbeitnehmer seinem Unternehmen keinen bestimmten Erfolg, sondern nur die vereinbarte Arbeitsleistung. Um bei dem Beispiel des Vertriebsmitarbeiters zu bleiben, bedeutet das: auch wenn der Vertriebler die geforderten Abschlüsse nicht einfährt, ist von großer Bedeutung, dass er zielgerichtet darauf hingearbeitet hat. Es liegt also keine Arbeitsverweigerung vor.

Alexander Bredereck arbeitet seit 1999 als Rechtsanwalt und seit 2005 als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bredereck Willkomm Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Vorstand der Verbraucher- zentrale Brandenburg e.V. sowie Mitglied im Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. und Mitglied im Arbeitskreis Arbeitsrecht im Berliner Anwaltsverein e.V. Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist die Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen. Kontakt und weitere Informationen: Fachanwalt@Arbeitsrechtler-in.de

Auch wenn es um die Qualität bzw. Fehlerquote geht, gibt es keine pauschalen Richtlinien, wann eine Kündigung rechtlich in Ordnung ist und wann nicht. Wie Alexander Bredereck unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erklärt, kann eine angeblich qualitative Minderleistung nicht allein auf die Fehlerhäufigkeit abgestellt werden. Hier kommt es stark auf den Einzelfall an. So seien Tätigkeiten denkbar, bei denen bereits ein einmaliger Fehler derart weit reichende Konsequenzen hat, dass eine kündigungsrelevante Vertragspflichtverletzung erheblich eher anzunehmen ist als bei anderen Fehlern (z.B. der Pilot einer Passagiermaschine, der die vorgeschriebene Überprüfung der Betankung des Flugzeugs vergisst). "Vor diesem Hintergrund ist eine Kündigung des Arbeitgebers wegen Schlechtleistung zwar nicht undenkbar, jedoch regelmäßig mit großen Schwierigkeiten verbunden. In der Regel wird vorher abgemahnt werden müssen", so Bredereck.

Und wie sollte sich ein Arbeitnehmer verhalten, dem "leistungsbedingt" gekündigt wird? "Bei Kündigungen wegen Schlechtleistung ist Arbeitnehmern grundsätzlich zu raten, Klage zu erheben. Der Arbeitgeber, der hier ein hohes Prozessrisiko hat, wird geneigt sein, das Arbeitsverhältnis mittels Vergleich und Zahlung einer entsprechenden Abfindung – Regelsatz: ein halbes Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr – zu beenden", erklärt Rechtsanwalt Bredereck. Er rät betroffenen Arbeitnehmern außerdem, im Falle des Vorwurfs von Schlechtleistungen frühzeitig rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen: "In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass durch die mit der Kritik verbundene emotionale Belastung Schlechtleistungen häufiger auftreten." Für den Arbeitnehmer besteht die Gefahr, dass er unter zunehmenden Druck dann tatsächlich gravierende Fehler macht, die dem Arbeitgeber bei der Begründung der Kündigung helfen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)