Open Access: Auf dem Weg zu einem neuen Publikationsmodell für die Wissenschaft

Beim freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen setzt sich das CERN erneut an die Spitze.

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Von
  • Richard Sietmann

Im traditionellen Publikationssystem – egal, ob die Forscher ihre Ergebnisse nun in gedruckten Zeitschriften oder in E-Journalen veröffentlichen – bezahlen theoretisch die Abnehmer der Information die Zeche. In der Praxis sind das jedoch die Bibliotheken und Forschungsinstitute, die unter der erdrückenden Kostenlast allerdings schon lange nicht mehr den umfassenden Zugang zu allen relevanten Zeitschriften ermöglichen können. Wenn im Open-Access-Modell die Aufsätze für den Nutzer frei zugänglich sein sollen, müssen andere die Kosten tragen.

Im vergangenen Dezember beauftragte das europäische Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik CERN – an dem auch das World Wide Web entstand – eine Arbeitsgruppe, gemeinsam mit Wissenschaftsverlagen alternative Publikationsmodelle zu untersuchen, mit denen sich der freie Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen am besten sichern lässt. An der Task Force beteiligten sich unter anderen die Verlagstöchter der American Physical Society und des britischen Institute of Physics sowie der wissenschaftliche Springer-Verlag.

Auf dem dritten Tag der Open Access Konferenz Berlin 4 präsentierte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, der Physiker Rüdiger Voss vom CERN Scientific Information Policy Board, am heutigen Freitag erste vorläufige Ergebnisse. Zumindest für die Teilchenphysik, erklärte Voss, "betrachten wir das Sponsoring durch ein Konsortium als das vielversprechendste und nachhaltigste Geschäftsmodell". Bei den Teilchenphysikern erscheinen etwa 90 Prozent aller relevanten Publikationen in zehn Zeitschriften; deren Verleger wären zu einem großen Teil, wie die Gespräche ergaben, zu einer schnellen Umstellung auf Open Access bereit. Die Kosten beziffert die Arbeitsgruppe auf fünf bis sechs Millionen Euro – gemessen an den mehr als zwei Milliarden Euro, mit denen heute weltweit die Experimente in der Teilchenforschung finanziert werden, ist dies kein Betrag, der unerschwinglich wäre.

In ihrem demnächst erscheinenden Abschlussbericht will die von Voss geleitete Arbeitsgruppe deshalb ein "Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics" (SCOAP3) vorschlagen, dem neben den großen internationalen Forschungsinstituten wie dem Fermilab und SLAC in den USA, LNF (Italien), KEK (Japan) und dem IHEP (China) auch die Vertreter der zehn staatlichen Geldgeber angehören sollen, auf die sich die Finanzierung der Teilchenforschung weltweit im Wesentlichen konzentriert. Das Konsortium müsste sich dann über einen Schlüssel zur "fairen Verteilung" der Anteile an den Kosten des Publikationssystems verständigen. "Wir rechnen mit einem fünfjährigen Übergangszeitraum", meint Voss. Wenn die großen Labs in diesem Zeitraum die Umstellung vorfinanzieren, könnten die Geldgeber ihre Finanzierungsregeln entsprechend anpassen, sodass die Projektfördermittel dann künftig auch einen Beitrag für die Kosten des Publikationssystems umfassen würden. (Richard Sietmann) / (jk)