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Erst stritten wir über Facetime, dann übers Videotelefonieren insgesamt. Mein alter Freund fand, es sei eine wunderbare, nützliche Erweiterung des Kommunikationsspektrums.

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Von
  • Peter Glaser

Erst stritten wir über Facetime, dann über’s Videotelefonieren insgesamt. Mein alter Freund fand, es sei eine wunderbare, nützliche Erweiterung des Kommunikationsspektrums.

"Die Videotelefonie ist ein beruhigendes Beispiel dafür, dass es Techniken gibt, die funktionieren, die aber keiner will", sagte ich.

Mein Freund lächelte, leise und überlegen. Es war dieses Lächeln, das andeutet, dass Steve Jobs ein höheres Wesen ist. Dieses Das-haben-sie-auch-über-das-iPhone-und-das-iPad-gesagt-Lächeln. Im Februar 2005 hatte der britische Computerpionier Sir Alan Sugar in einem Interview behauptet: "Nächstes Jahr zu Weihnachten wird der iPod tot sein. Erledigt. Gewesen." Im Januar 2010 waren 250 Millionen iPods und 10 Milliarden Songs via iTunes verkauft.

Ich bin ein eher heidnischer Apple-Interessent. Mein Freund fühlt sich durch meine mangelhafte Inbrunst manchmal befremdet. Er glaubt, dass ich, um cool zu sein, Understatement vortäusche. Ich erzählte ihm von meinem ersten Videotelefon in den 80er Jahren, das ich eine Weile als Rasierspiegel benutzt und dann wieder zurückgegeben hatte – "und versuch mal, deinem Chef per Videotelefon mitzuteilen, dass du kränkelst und nicht zur Arbeit kommen kannst".

Videotelefonie in den 1930ern ...

(Bild: AT&T)

... und 2010 mit Facetime

Seit die Videotelefonie in den 30er Jahren erfunden wurde, ist in jedem neuen Jahrzehnt der endgültige Durchbruch für diese Technik verkündet worden. Kein Science-Fiction-Film kommt ohne Bildsprechverbindung aus. Und jetzt kommt Steve Jobs und verkündet, dass es für die lange, traurige Geschichte der Videotelefonie doch noch ein Happy End gebe, nämlich Facetime.

Mein Freund verteidigte das individuelle Fernsehen. Man könne damit beispielsweise seiner tausend Kilometer entfernten Oma eine Freude machen, und Facetime würde ja auch nicht ohne Grund nach Facebook klingen, da sei der Erfolg praktisch schon im Namen enthalten. Um seinen Argumenten Gefühlstiefe zu verleihen, sah er mich melodramatisch an.

"Jobs macht doch sonst immer alles richtig. Warum macht er Bildtelefonie – etwas, das seit Jahrzehnten immer wieder floppt?"

Mir fiel Max Headroom ein, der computerisierte Video-Jockey. Um zu verhindern, dass er zu perfekt wirkte, hatten seine Schöpfer ihm eine Macke mitgegeben: Max stottert. Auch von Nachrichtensprechern heißt es, dass sie sich ab und zu absichtlich versprechen, um nicht zu glatt und robotisch zu erscheinen.

"Steve Jobs ist ein feiner Mann", mein Apple-Freund nickte mir zu. "Er möchte, dass wir wissen: Auch er ist ein fehlbares Wesen."

Ich wäre dem fehlbaren Wesen verbunden, wenn es weniger bizarre Technologien verbreiten würde. Videotelefonie wirkt nur auf den ersten Blick nützlich und bequem, sie ist alles andere als convenient. Ehe man eine Bildverbindung freischaltet, sollte man sich am besten erst einmal seiner selbst vergewissern. Die Software bietet dazu den sogenannten "Mirror"-Modus. Man sieht nach, ob das Toupet verrutscht ist oder im Hintergrund ein totes Pferd liegt. "Oder du musst nur noch ein einziges Mal im Leben aufräumen", meinem Freund gefiel die Idee. "Das Foto davon setzt du dann immer in den Hintergrund."

(se)