IGF: "Gigantisches Brainstorming" zur Zukunft des Netzes

Während sich einige Teilnehmer zum Abschluss des Internet Governance Forums in Athen über ein gelungenes global-demokratisches Experiment freuten, forderten andere für die Zukunft konkrete Ergebnisse.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Monika Ermert
Die einen lobten es als gigantisches Brainstorming oder sogar gelungenes global-demokratisches Experiment, das fortgesetzt werden müsse. Andere forderten konkrete Empfehlungen, wenn sich das Internet Governance Forum im kommenden Jahr in Rio de Janeiro und anschließend in Indien und Ägypten wieder zusammentrifft. Das viertägige Forum, das erste seiner Art, endete am heutigen Donnerstag in Athen.
"Wir haben heute die griechische Agora neu geschaffen", sagte der UN-Sonderbotschafter für Internet Governance, Nitin Desai, zum Abschluss der Veranstaltung. "Das Beeindruckendste war für mich, dass die Zusammenarbeit von Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft auch außerhalb der Sitzungen funktionierte. Ich habe im Konferenz-Cafe hier immer gemischte Gruppen gesehen", resümierte Desai. Diese neue Form der Zusammenarbeit lobten auch der finnische EU-Vertreter Yrjö Lansipuro und Siemens-Manager Peter Hellmonds. "Die IGF war ein gutes Beispiel für die 'Multistakeholder'-Diskussion zwischen Regierungen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen, wie sie vor einigen Jahren kaum denkbar gewesen wären", sagte Hellmonds. Man werde aber noch Zeit brauchen, die Ergebnisse zu verdauen. Für Rio hoffe er auf die ersten Ergebnisse dieser so genannten neuen "dynamischen Koalitionen".
Das Interesse der verschiedenen EU-Länder an diesen neuen Bündnissen ist allerdings noch recht unterschiedlich. Frankreich und Italien haben sich offiziell an der Datenschutz- beziehungsweise der "Internet Bill of Rights"-Koalition beteiligt. Andere halten sich bislang noch zurück. Der griechische Minister Michalis Liapis etwa erklärte, Griechenland werde sich auf den Ausbau des Internetzugangs konzentrieren, um den eigenen "digitalen Graben" zwischen Stadt und Land zu schließen.
Die Vertreterin der Zivilgesellschaft, Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), empfahl den Regierungen, sich nach dem Dialog auch der praktischen Arbeit in gemeinsamen Projekten zu stellen. Auch für den Präsidenten der Internet Corporation for Assigned Names and Number (ICANN), Paul Twomey, besteht die Nagelprobe für die IGF darin, ob die Regierungen sich an der Arbeit bis zum nächsten Treffen beteiligen. Einige Länder haben sich gegen zusätzliche Treffen ausgesprochen. IGF-Sekretär Markus Kummer sagte gegenüber heise online, es werde zwischen Athen und Rio auf jeden Fall zwei offene Treffen in Genf geben. Dabei soll es vor allem um die nächste Agenda gehen. Für einen brasilianischen Vertreter gehört dann auch das Management des Domain Name Systems auf die Tagesordnung. Mit Rücksicht auf die USA war es in Athen nicht auf der Agenda.
Die Zivilgesellschaft ist laut Hofmann auch dazu aufgerufen, Teilnehmern aus Ländern des Südens einen besseren Zugang zu den IGF-Treffen zu ermöglichen. Die Wirtschaft solle Kontakte vor allem zu ihren Kollegen in den Entwicklungsländern verstärken. Hofmann erklärte in ihrem Statement zum Abschluss der Veranstaltung, man habe intensiv beraten, wie in Zukunft ergebnisbezogener gearbeitet werden könne. Die Dokumentation praktischer Lösungen beim IGF sei dafür eine Möglichkeit. Dagegen hatten Desai und Kummer erneut unterstrichen, dass das IGF dafür das falsche Forum sei. "Das IGF ist ein offenes Haus. Entscheidungen kann es nicht fällen, denn dann würden die entscheiden, die kommen."
Mit Blick auf die zentrale Frage des IGF nach dem Netzzugang in Entwicklungsländern forderte Hellmonds noch einmal Wettbewerb, Liberalisierung und ein funktionierendes Rechtssystem. Die hohen Kosten für internationale Bandbreiten wurden zwar diskutiert, doch wirklich weitergekommen ist das Forum dabei nicht. Ein Vertreter aus Kuba machte die USA und ihre Blockadepolitik gegen sein Land für die hohen Preise verantwortlich. Der Zugang bleibt der IGF als Kernfrage also erhalten und die Meinungen darüber, wie er für die armen und ärmsten Länder zu realisieren sei, ist umstritten. Vielleicht bedarf es gerade für den Accessbereich doch mehr als nur Diskussionen.
Siehe zum Internet Governance Forum, dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft und zu den nach seinem Abschluss entfalteten Aktivitäten:
  • Special IGF/Cyber-Weltgipfel in Telepolis
  • Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch: (Monika Ermert) /