Bundesrat kritisiert Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Computerkriminalität scharf

Laut den Ländern ist die Bundesregierung mit ihrem geplanten Verbot von "Hacker-Tools" weit über das Ziel hinausgeschossen. Im Extremfall könnte selbst die Beeinträchtigung des Betriebs einer Waschmaschine strafbar werden.

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Laut dem Bundesrat ist die Bundesregierung mit ihrem Entwurf für eine erneute Änderung des Computerstrafrechts weit über das Ziel einer besseren Bekämpfung der Computerkriminalität hinausgeschossen. Es gebe zwar Defizite im geltenden Recht, räumt die Länderkammer in einer am heutigen Freitag angenommenen Stellungnahme (PDF-Datei) zu der Gesetzesnovelle ein. Der Bundesrat weist jedoch zugleich auf die Gefahr hin, dass durch eine zu weite Fassung von Tatbeständen völlig legale Handlungsweisen in die Strafbarkeit einbezogen würden. Diese Problematik betreffe zum Teil bereits das geltende Computerstrafrecht und werde durch die geplanten Änderungen noch deutlich verschärft.

Der besonders umstrittene Entwurf für den neuen Paragraph 202c des Strafgesetzbuchs (StGB), mit dem Vorbereitungshandlungen und der Einsatz und die Verbreitung von "Hacker-Tools" bestraft werden sollen, ist laut den Ländern praxisfremd. In die Bredouille kommen würden damit etwa auch Geschäftsreisende, die ihrer Sekretärin ein Passwort übermitteln, weil sie dringend eine E-Mail aus ihrer Inbox auf dem Bürorechner benötigen würden. Zum "Haupttäter" abgestempelt würden auch vergessliche Zeitgenossen, die ihr Passwort "im Nachbereich" ihres Computer vermerken. In beiden Fällen wäre eine Überwindung der Zugangssicherung ohne erheblichen Aufwand möglich und der neue Paragraph könnte greifen.

Auch mit dem Versuch, über eine Ergänzung des Paragraphen 202a StGB das Phänomen "Hacking" besser zu fassen, ist die Bundesregierung nach Ansicht des Bundesrats gescheitert. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass der Entwurf auf den Zugang zu Daten abstelle, kaum aber noch elektronische Geräte existierten, die ohne Datenspeicherung und -verarbeitung auskommen. Beispielsweise würde sich nach dem Entwurf wohl strafbar machen, wer sich Zugang zu dem von seinem Kind verschlossenen MP3-Player verschaffe, um die darauf gespeicherten Musikstücke anzuhören. Ebenfalls strafbar machen könnte sich ein Jugendlicher, der sich das von seinen Eltern an einem vermeintlich sicheren Ort verwahrte Passwort für nicht jugendfreie Sendungen im Pay-TV verschafft und sich verbotener Weise eine solche Sendung ansieht, halten die Länder fest. Es handele sich dabei lediglich "um Beispiele aus einer nicht überschaubaren Palette von Handlungen, die unter den neuen Tatbestand fallen würden".

Bei der Überarbeitung von Paragraph 303a StGB, der bislang eine Datenveränderung strafbar macht, sieht der Bundesrat verfassungsrechtliche Probleme. Die neu eingeführte Frage der Verfügungsberechtigung über die jeweiligen Daten werfe vor allem bei vernetzten Systemen kaum überwindbare Auslegungsprobleme auf. Auch mit der in 303b StGB vorgeschlagenen "erheblichen Ausdehnung der Strafbarkeit" durch den Einbezug der privaten Datenverarbeitung können sich die Länder nicht anfreunden. Auch hier würden angesichts der fortschreitenden Digitalisierung eine Vielzahl von Geräten erfasst. Im Extremfall geriete damit selbst die Beeinträchtigung des Betriebs einer Wasch- oder Spülmaschine unter den Tatbestand der Computersabotage, warnt der Bundesrat. Ähnliches könne die Störung von Videorekordern, Hifi-Anlagen oder Navigationssysteme betreffen.

Der Bundesrat hält daher eine Lösung der genannten Probleme im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahren insbesondere aufgrund der derzeitigen tatsächlichen Entwicklung digitaler Lebenswelten für "zwingend geboten". Andernfalls könne dem Gesetzesentwurf eine ähnliche Breitenwirkung zukommen wie Änderungen am Urheberrechtsgesetz. So rechne eine deutsche Staatsanwaltschaft auf Grund entsprechender Ankündigung eines Rechteinhabers damit, dass wegen der illegalen Verbreitung von lediglich vier Computerspielen über das Internet noch in diesem Jahr über 200.000 Urheberrechtsverstöße bei ihr angezeigt werden. Bei anderen Staatsanwaltschaften seien in der jüngsten Vergangenheit bereits mehrere 10.000 ähnliche Bagatellfälle gemeldet worden. Auch angesichts solcher Vorkommnisse müssten die Tatbestände in den "Hacker-Paragraphen" zumindest auf "die der Strafe würdigen und bedürftigen Handlungen" begrenzt werden.

Mit dem Gesetzesentwurf, der ursprünglich aus dem Bundesjustizministerium stammt, will die Bundesregierung insbesondere EU-Vorgaben umsetzen. Gegen die Pläne haben aber auch Verbände wie der Bitkom und Vereine wie der Chaos Computer Club (CCC) heftige Proteste eingelegt, da er die Arbeit von Systemadministratoren, Programmierern und Beratern gefährde. Diese seien auf entsprechende Werkzeuge im Rahmen ihrer Arbeit angewiesen. Demgegenüber sieht das Justizministerium bislang keinerlei Notwendigkeit zu einer Änderung des Entwurfs: Nach der Aussage eines Sprechers halte man die Regelungen für "eindeutig und unmissverständlich".

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(Stefan Krempl) / (jk)