Wirtschaftsministerium: Nachbesserungen am Verfahren zur Zulassung neuer TLD notwendig

Eine breite Koalition von Regierungen, darunter auch die deutsche, sieht weiter Nachbesserungsbedarf beim geplanten Verfahren zur Einführung neuer Top Level Domains wie .berlin, .bayern oder .sport.

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Von
  • Monika Ermert
  • Dr. Oliver Diedrich

Eine breite Koalition von Regierungen, darunter auch die deutsche, sieht weiter Nachbesserungsbedarf beim geplanten Verfahren zur Einführung neuer Top Level Domains wie .berlin, .bayern oder .sport. Die Regierungsvertreter verständigten zum Auftakt des Treffens der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in der kolumbianischen Stadt Cartagena darauf, den ICANN-Vorstand zu einer weiteren Verschiebung des Verfahrens aufzufordern.Gestritten wird unter anderem noch darüber, wie Begriffe, die in einzelnen Ländern gegen nationales Recht oder gegen "Moral und öffentliche Ordnung" verstoßen, von einer Zulassung als Domain ausgeschlossen werden sollen.

Als inakzeptabel bezeichneten zahlreiche europäische Regierungsvertreter, dass der ICANN-Vorstand bereits am kommenden Freitag über das endgültige Zulassungsverfahren entscheiden will – an diesem Tag läuft auch die Frist für Stellungnahmen aus. Die Zulassung neuer Top Level Domains, als Konkurrenten zu .com, .org oder .de wird seit zehn Jahren von der ICANN diskutiert. Nach mehreren Probeläufen mit einer Handvoll neuer TLDs arbeiteten die ICANN-Gremien nun seit über vier Jahren an einem dauerhaften Standardverfahren.

Ende vergangener Woche hatte das US-Handelsministerium in einem Brief bereits deutlich gemacht, dass man mit der Vorbereitung durch das ICANN nach wie vor unzufrieden ist; insbesondere fehle eine klare Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen neuer TLDs. Suzanne Sene von der National Telecommunications and Information Administration (NTIA), der für die Aufsicht über die zentrale Rootzone zuständigen Behörde beim US-Handelsministerium, bekräftigte in Cartagena den Widerstand der US-Regierung gegen das vorgesehene Verfahren. Sene nannte dabei Bedenken ihrer Regierung beim Verbraucherschutz, beim Markenschutz, beim Schutz geographischer Namen und bei den Einspruchsmöglichkeiten. Sie teile den Optimismus der hauptamtlichen ICANN-Experten nicht, dass all diese Probleme inzwischen durch entsprechende Regeln im Bewerberhandbuch addressiert seien.

ICANN-Vizepräsident Kurt Pritz hatte bei der Vorstellung der Veränderungen in der Version fünf des Bewerberhandbuchs gegenüber den Regierungsvertretern zum Ausdruck gebracht, das ICANN habe – von Einzelfragen abgesehen – den Bedenken bereits umfänglich Rechnung getragen. Auch eine weitere Studie zu den Chancen und Risiken neuer TLDs wurde zwei Tage vor dem Cartagena-Treffen veröffentlicht.

Aus Sicht der Regierungsvertreter liegen die Regeln für Bewerber noch nicht lange genug vor. Hubert Schöttner, der das Bundeswirtschaftsministerium im Regierungsbeirat der ICANN vertritt, forderte in Cartagena ebenfalls „mehr Zeit“. Eine abschließende Stellungnahme der deutschen Regierung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Schöttner kritisierte, dass das ICANN wesentliche Kritikpunkte der Regierungen keineswegs ausgeräumt habe. Unter anderem nannte er „hohe US-Dollarbeträge“, die möglicherweise auf Städte zukämen, wenn es Streit darüber gebe, ob ein Städtename als solcher oder als generischer Begriff genutzt werde. Das ICANN wollte alternative Nutzungen solcher Namen nicht durch einen pauschalen Schutz für Städte- und Gemeindenamen blockieren. Lediglich im Fall von Länder-, Hauptstadt- und bei der ISO und der UNESO gelisteten Regionsnamen geht gar nichts ohne die Zustimmung der Regierungen.

Schöttners zweite Kritik richtete sich gegen eine mögliche Ungleichbehandlung verschiedener Markentypen aus verschiedenen Rechtstraditionen. Für die Marken, die nach dem jeweiligen nationalen Recht etwa nicht auf deren Nutzung überprüft wurden, müssen Markeninhaber laut ICANNs Regeln einem Check des geplanten Marken-Clearing-Hauses zustimmen – und diesen auch bezahlen. (odi)