ePerso-Placebo

Axel Kossel freut sich über den neuen ePerso. Bis die Frau vom Amt nach dem PIN-Brief fragt. Der ist verschollen.

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Von
  • Axel Kossel

Eher lustlos schaute ich nach fast fünf Wochen immer noch regelmäßig bei der Webseite vorbei, die den Status meines neuen Personalausweises verkündet. Am Freitag wurde ich belohnt: "Dieser Personalausweis ist in der Ausweisbehörde eingetroffen. Er kann abgeholt werden, wenn Sie den PIN-Brief erhalten haben oder der PIN-Brief in der Behörde hinterlegt wurde."

Heute Morgen führte mein erster Weg zum Bürgerbüro, wo helle Aufregung herrschte: Kollege Computer zickte rum. Obwohl nur ein anderer Bürger vor mir da war, wartete ich über 20 Minuten. Als ich endlich dran kam, spielte ein Techniker am Nebentisch gerade neue Firmware ins Änderungsterminal ein. Er war noch beschäftigt, als ich ging.

Der ePerso ist da. Aber wo ist der PIN-Brief? Entweder, oder, oder doch nicht ...

Alles schien gut; mein neuer Ausweis wurde schnell gefunden. Doch dann fragte die Mitarbeiterin nach meinem PIN-Brief. Leider hatte ich keinen erhalten. Das ist schlecht, sagte ihr Gesichtsausdruck. Ich hatte gehofft, dass er "in der Behörde hinterlegt wurde". Offenbar lag ich damit gar nicht so falsch, denn eine hinzugerufene Kollegin erzählte, die Bundesdruckerei habe "im anfänglichen Durcheinander" die ersten PIN-Briefe ans Bürgerbüro geschickt. Immerhin war ich der Zweite gewesen, der in unserer Gemeinde den neuen Personalausweis bestellt hatte, doch mein PIN-Brief ist auch im Bürgerbüro nicht auffindbar. Als mich die Mitarbeiter für zwei Minuten mit meinen beiden Personalausweisen allein ließen, regte sich bei mir kurz der Gedanke an eine Entführung. Doch man hätte mich zu einfach als Täter identifizieren können und der Staat kennt bei Ausweisdokumenten kein Pardon.

Bevor mir der neue Ausweis ausgehändigt wurde, sperrte die Mitarbeiterin die eID-Funktion und ich musste unterschreiben, dass ich das wolle – wovon keine Rede sein kann. Ich kann die Funktion nur wieder frei schalten lassen, sofern der PIN-Brief auftaucht. Schließlich könnte ihn jemand abgefangen haben und nun darauf lauern, mir den Ausweis zu stehlen, um sich im Internet für mich auszugeben. Eine neue PIN gibt es nicht; bleibt der Brief verschollen, muss ich einen neuen Antrag stellen, ein neues Passfoto abgeben und wahrscheinlich wieder fünf Wochen warten. Schwacher Trost: Für Freischaltung oder Neuantrag muss ich nichts bezahlen.

Ich bin sauer, weiß aber nicht auf wen. Liegt der PIN-Brief vielleicht morgen im Briefkasten? Hat ihn die Bundesdruckerei, die Post oder das Bürgerbüro verschlampt? Ich hätte für die sichere Zustellung des PIN-Briefs per Einschreiben gerne zwei, drei Euro draufgelegt. Jetzt habe ich einen ePerso mit zu wenig e.

Nachtrag: Kurz nach 16 Uhr heute Nachmittag erhalte ich einen Anruf der Gemeindeverwaltung. Ich sei zu schnell gegangen; kaum dass ich weg war, habe der Postbote meinen PIN-Brief vorbeigebracht. Zufälle gibt's. Jedenfalls kann ich morgen das fehlende e meines ePersos freischalten lassen. Und auch der Sicherheit ist Genüge getan: Die Faktoren Wissen (PIN) und Besitz (Ausweis) bleiben bis zur Übergabe an mich stets sauber getrennt. (ad)