Bundesregierung will Fortbestand von ARD und ZDF im Online-Zeitalter sichern

Auf Initiative von Kulturstaatsministerin Weiss beraten die EU-Kulturminister deshalb die Entwicklungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Auf Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss, werden die Kulturminister der Europäischen Union auf ihrem Rat am 16. November 2004 in Brüssel die Entwicklungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter diskutieren. Dies kündigte sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Intendanten Markus Schächter, ZDF, und Fritz Pleitgen, WDR, am Freitag in Berlin an. Die Staatsministerin erklärte, dass sie diese Initiative "selbstverständlich" auch im Interesse der Bundesländer ergriffen habe: Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt und Medienpluralismus zu sichern, sei für sie unabhängig von der Art des einzelnen Mediums das wichtigste medienpolitische Ziel und gleichzeitig ein verfassungsrechtlicher Auftrag. "Wer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jetzt nicht die Tore zur digitalen Welt öffnet, vernagelt ihm die Zukunft."

"Die öffentliche Kommunikation ist ohne das Internet nicht mehr denkbar, das Netz wird aber in seiner Bedeutung noch immer unterschätzt", sagte Weiss. Ebenso wie beim Rundfunk bestehe bei einer überwiegend privatwirtschaftlichen Finanzierung die Gefahr, "dass andere als Masseninteressen vernachlässigt werden, die Programmplanung stark an den Interessen der Werbewirtschaft orientiert ist und es schließlich zu einer unausgewogenen Berichterstattung kommt." Auch bei journalistisch aufgemachten Internet-Angeboten komme es in immer größerem Ausmaß zu einer Vermischung von publizistischen und kommerziellen Interessen. Der Nutzer habe kaum die Möglichkeit, herauszufinden, ob bei der Redaktion der Webseite die publizistischen Grundstandards eingehalten würden oder nicht.

Aus der Bedeutung der Online-Angebote für die Meinungsbildung und den bestehenden Marktdefiziten folge, dass Bund und Länder auch für den Online-Bereich eine in Artikel 5 des Grundgesetzes mit Verfassungsrang ausgestattete "nationale Gewährleistungsverantwortung" trügen: Hierzu müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Beitrag leisten können. Zwar seien die Anstalten "nicht die alleinigen Lordsiegelbewahrer für verlässliche und vielfältige Informationen", aber sie müssten die Möglichkeit der Teilhabe an den neuen Verbreitungswegen haben. Nur so könnten sie ihren Kultur- und Bildungsauftrag erfüllen. Diese nationale Verpflichtung habe die EU-Kommission zu achten.

In der Europäischen Kommission besteht Medienberichten zufolge eine Tendenz, auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk primär unter Wettbewerbsgesichtspunkten zu betrachten -- aus dieser Perspektive könnte die deutsche Rundfunkgebühr zur Finanzierung von ARD und ZDF als unzulässige Subvention betrachtet werden. Staatsministerin Weiss widersprach dieser Sichtweise auf der Pressekonferenz: "Es steht der Kommission nicht zu, sich über den Umweg des Wettbewerbsrechts eine 'Kompetenz-Kompetenz' für den Medienbereich zu schaffen. Es ist und bleibt unsere nationale Aufgabe, den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch für den Online-Bereich auszugestalten." Ihre Initiative will die Staatsministerin jedoch nicht als Angriff auf private Angebote verstanden wissen. Auch sollten deren Verdienstquellen nicht gemindert werden. Die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Veranstalter seien werbefrei und dürften nicht zu E-Commerce-Zwecken genutzt werden. Sie empfehle dringend, dass diese Beschränkungen auch tatsächlich eingehalten werden.

Laut dpa betonte der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen, ARD und ZDF müssten auch im Internet ein zeitgemäßes Angebot produzieren. ZDF-Intendant Markus Schächter sagte, Brüssel nehme "Länder und Sender in den Schwitzkasten". Die Tonlage in Brüssel gegen die Öffentlich-Rechtlichen werde zunehmend aggressiver. Es gebe Versuche, die Rundfunkgebühr als unerlaubte Subvention zu definieren und damit den Anstalten die Existenzgrundlage zu entziehen, sagte Schächter. Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) kritisierte hingegen die Initiative der Bundesregierung: "Zu keiner Zeit stand in Frage, dass die Gestaltung des Rundfunks bei den nationalen Gesetzgebern, in Deutschland bei den Ländern, liegt", erklärte VPRT-Präsident Jürgen Doetz. Die Beschwerden der Privaten richteten sich gegen den Einsatz von Rundfunkgebühren in rein kommerziellen Bereichen. Dabei geht es um den Internet-Auftritt von ARD und ZDF, die Transparenz bei der Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen sowie den Erwerb von Senderechten für Sportübertragungen. (ssu)