Mythos Motivation - ein Klassiker neu aufgelegt

Die Essenz der aktualisierten 19. Neuauflage des Klassikers der Managementliteratur "Mythos Motivation" lautet immer noch: Motivation gibt es gar nicht, alles Motivieren ist Demotivieren. Einige Überlegungen dazu.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Oestereich

"Und wie motivieren wir sie/ihn dazu, […]" ist ein Satz, den ich selbst sicherlich auch schon unzählige Male gesagt habe. Wider besseren Wissens. Daran wurde ich heute einmal wieder erinnert, als ich durch die aktualisierte 19. Neuauflage eines Klassikers der Managementliteratur blätterte, "Mythos Motivation" von Reinhard Sprenger. Die Essenz aus dem Buch von Sprenger lautet immer noch, Motivation gibt es gar nicht, alles Motivieren ist Demotivieren.

Die einschlägigen Managementratgeber mit ihren "Motivieren – aber richtig!"-Phrasen kennen wir alle irgendwie. Sprenger geht nochmal auf die deutsche Grammatik zurück, erinnert daran, dass das Suffix "-ung" einen Ablauf beschreibt und "-(t)ion" einen Zustand, dass sich also Motvation zur Motivierung so verhält wie das "Warum" zum "Wie". Auf dieser Basis komme ich zu folgenden Definitionen:

Motivation ist der Beweggrund, etwas zu tun. Motivation erklärt das "Warum" des Verhaltens eines Individuums und ist Teil seiner Eigensteuerung. Motivation kann nicht fremdgesteuert werden.

Motivierung ist das absichtsvolle Handeln einer Person, die Verhaltensbereitschaft einer anderen Person gezielt zu beeinflussen – was im Normalfall aber nicht funktioniert.

In den meisten Fällen wird von "Motivation" gesprochen, wenn tatsächlich Motivierung gemeint ist, um die Aspekte der Fremdsteuerung, Manipulation und das Nichtfunktionieren der intendierten Motivierung zu verschleiern.

Dwight D. Eisenhower war da direkter und definierte: "Motivation ist die Fähigkeit, einen Menschen dazu zu bringen, das zu tun, was man will, wann man will und wie mal will – weil er selbst es will."

Wenn der Ursprung von "Motivation" die angenommene Lücke zwischen tatsächlicher und möglicher/erwarteter Arbeitsleistung ist, dann basiert "Motivation" also auf dem Misstrauen gegenüber Mitarbeitern.

Motivation ist also eine ganz persönliche Einstellung des Mitarbeiters und als solche höchstens per Gehirnwäsche extern zu beeinflussen. Die ganzen Anreiz- und Belohnungssysteme in Unternehmen führen alle nur zu Demotivation. Bis vor zwei Jahren hatten wir bei oose beispielsweise auch noch variable, erfolgsabhängige Gehaltsanteile, also "Belohnungen". Wir konnten aber genau das beobachten, was Sprengler schreibt: Der einzige Effekt war Demotivation. Fällt die Prämie gut aus, freue ich mich ganz kurz und nehme sie gerne mit. Ist sie dann mal niedriger, bin ich schon enttäuscht darüber, dass die niedriger ist, also eher demotiviert. Dann kommen noch ein paar Gedanken dazu, dass aber Kollege X diesmal wirklich ohne eigenes Zutun Glück gehabt hat, wahrscheinlich mehr Prämie bekommt, was ja ungerecht ist.

Seitdem wir diesen Prämienquatsch abgeschafft haben, ist meiner Meinung nach ebenfalls das passiert, was Sprenger vorhersagt: Es gibt einen Punkt weniger, der Mitarbeiter demotiviert. Nicht mehr und nicht weniger. Die Abschaffung von Anreizsystemen schafft also an sich auch keine Motivation, sie reduziert nur das Maß der Demotivation. Das einzige, was Unternehmen tun können, ist Demotivationen immer wieder zu identifizieren (hinsehen, hinhören), abzubauen und somit bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Sonst bleibt es dabei, dass "Mitarbeitern ihre Einstellungen und Werteorientierungen schon morgens beim Pförtner abgeben".

So wie Sprenger im Vorwort schreibt, dass er wenig an der Neuauflage ändern musste, weil sich in all den Jahren im Management diesbezüglich nicht viel geändert hat, hoffe ich, durch diesen erneuten Impuls auch für mich selbst, in Zukunft mal wieder etwas weniger zu "motivieren".

Obwohl sich natürlich schon ein paar Dinge verändert beziehungsweise entwickelt haben: Selbstorganisation, virtuelle Teams und Arbeitsnetzwerke sind stärker geworden und auch in neueren Vorgehensweisen wie Scrum viel besser verankert. In dem Zusammenhang möchte ich auch auf zwei Veranstaltungen hinweisen. Zum einen auf den Open Space it-camp am 4. Februar 2011 zum Thema "Selbstorganisation" (u.a. mit Prof. Dr. med. Fritz Simon (Uni Witten/Herdecke)). Und zum anderen auf die interdisziplinäre Gemeinschaftsveranstaltung interPM der GPM und der GI am 20./21. Mai 2011 zum Thema "Arbeiten in Netzwerken", deren Call for Papers gerade läuft. ()