Kampf um die kritische Masse an Telefonnummern-Domains [Update]

Die technische Marktreife und das Plazet von der Seite der aufsichtsführenden Netzagentur bekam ENUM beim ENUM-Tag zum Start des Wirkbetriebs bescheinigt. Bislang sind aber erst rund fünfeinhalbtausend Telefonnummern auch als ENUM-Domains registriert.

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Von
  • Monika Ermert

Die technische Marktreife und das Plazet von der Seite der aufsichtsführenden Netzagentur, alles bekam ENUM beim ENUM-Tag des DeNIC in Frankfurt bescheinigt. Fehlt nur eines: die kritische Masse. Rund fünfeinhalbtausend Telefonnummern sind derzeit auch als ENUM-Domains registriert – 0,0001 Prozent der deutschen Rufnummern seien es, sagte beim ENUM-Tag Ulrich Keil von AmEuro Ventures.

Nicht eben freuen dürften sich ENUM-Anbieter daher darüber, dass ausgerechnet Massenanbieter 1&1 offensichtlich beschlossen hat, seinen Kunden den ENUM-Einstieg nicht zu einfach zu machen. Insider berichteten beim ENUM-Tag, dass 1&1 seinen Hardwarepartner AVM dazu veranlasst hat, den in dessen Boxen bereits implementierten ENUM-Lookup wieder herauszunehmen. Solche Lookups würden auch weniger technikaffinen Kunden erlauben, den Einstieg in direkte Netztelefonate zu schaffen – dem Anbieter würden dabei allerdings Terminierungsentgelte entgehen. Sprecher von 1&1 und AVM kündigten gegenüber heise online Stellungnahmen dazu an. ENUM sei noch nicht von so großer Bedeutung, sagte ein AVM-Sprecher. Beiträge in Nutzerforen zeigten, dass sich ENUM-Abfragen durchaus bewerkstelligen ließen, kommentierte zudem ein 1&1-Sprecher.

ENUM (Telephone Number Mapping) ist ein Adressierungsprotokoll, das verschiedene Dienste wie Telefonie, E-Mail, Fax, http, et cetera miteinander verknüpft. Die auch als Telefonnummern-Domains bezeichneten ENUM-Domains sind in Deutschland nunmehr im Wirkbetrieb. Nutzer können ihre normalen Festnetz- und Mobilfunknummern sowie eine Reihe weiterer Rufnummern wie 0700 oder 032 als Internet-Domains eintragen lassen. Die Domain im Stil von 0.0.3.2.5.3.5.1.1.5 (angehängt wird dabei immer die deutsche ENUM-Domain .9.4.e164.arpa, .9.4 entspricht dabei der umgekehrten internationalen Telefonvorwahl) und erlaubt auch ein Routing von Gesprächen übers Internet, soweit ein SIP-Dienst eingerichtet ist. ENUM kann damit auch als einheitlicher Directory-Service das Auffinden und Adressieren von Personen erleichtern. In dem Directory legt man seine Kontaktdaten wie Mobil- und Festnetznummern, E-Mail-Adressen, Websites et cetera ab und kann sie selbst pflegen. Außerdem wird angegeben, wie man zu einem bestimmten Zeitpunkt bevorzugt kontaktiert werden möchte.

Automatisierte ENUM-Lookups als eine Basis für einen nutzerfreundlichen Einsatz wurden beim ENUM-Tag explizit gefordert. "Wo sind die Hardwarehersteller, die automatische ENUM-Lookups einbauen?", fragte etwa 1&1-Konkurrent Strato. Kunden seien nicht so sehr an einer ENUM-Domain interessiert, sondern an dem möglichen Zusatzservice. Diese Erfahrung hat man auch beim aktuellen Spitzenreiter für ENUM-Domains Portunity gemacht. "Der Supportaufwand, nachdem die Domains registriert sind, ist hoch," sagte Björn Rücker von Portunity. Auch er nannte das Bundling mit VoIP-Angeboten daher das Geschäftsmodell der Wahl, auch wenn sein Unternehmen auch weiterhin "nackte" ENUM-Registrierungen anbieten will.

Portunity hat eine kleine Liste mit Hardware, die ENUM integriert, auf seiner Informationsseite; auch beim DeNIC finden sich Hinweise zu passender Hard- und Software. Ansonsten spricht Rücker von einem klassischen Henne-Ei-Problem: geringe Nutzerzahlen, kein Interesse der Hardwarehersteller; keine breite Unterstützung in der Hardware, kein Interesse der Nutzer – ohne bedienerfreundliche Produkte wird es keine Nachfrage nach ENUM geben. Umso schlimmer, wenn sich große Anbieter wie 1&1 dagegen entscheiden.

Mit ENUM-Registrierungen allein werde man in Zukunft kaum ein großes Geschäft machen, meinte Rücker. Ganz ohne Anziehungskraft scheint dies andererseits nicht zu sein, kündigte doch auch Jörn Dost von der Outbox AG an, künftig ENUM-Registrierungen für Privatkunden über ein "Nummerservice"-Portal bieten zu wollen. Andere Dienste, mit denen man sich etablieren will, sind ein erweitertes Angebot für Reseller, die Validierung auch für Nummern, deren Kunden nicht im eigenen Netz sind, und die Registrierung von Rufnummern aus dem 032-Bereich als ENUM-Domain bei gleichzeitiger Zuteilung als klassischer Rufnummer. "Eine Spielerei", meint Dost; er kann sich aber auch vorstellen, dass Angebote wie die Hinterlegung einer Visitenkarte im eigenen ENUM-Eintrag für denjenigen, der optimal erreichbar sein will, interessant sein kann. Von der einen Rufnummer, über die sich per Lookup alle Kommunikationszugänge zu einem Partner abfragen lassen – möglichst soll das dann noch die Hardware tun –, sprechen bei ENUM-Tagen grundsätzlich alle Referenten.

Die Datenschutz- und Sicherheitsprobleme, von der T-Com und der Universität Stuttgart in einem gemeinsamen Projekt unter die Lupe genommen, machten allerdings weitere Nachbesserungen erforderlich, sagte Gerhard Schröder von der T-Com. Es gelte, die an die ISDN-Welt gewohnten Nutzererwartungen auch bei ENUM-unterstützter Netztelefonie zu erfüllen. DeNIC-ENUM-Projektmanagerin Petra Blank fragte allerdings skeptisch, ob Kunden auch in Zukunft "allein mit ISDN-Funktionen" zufrieden zu stellen sein werden.

[Update]
Eine Absprache zwischen 1&1 und der Berliner AVM zur ENUM-Funktion der AVM-Boxen hat es nicht gegeben, betonten mittlerweile Firmensprecher. Die beiden Unternehmen reagierten damit auf den Vorwurf, AVM habe die in älteren Versionen möglichen ENUM-Lookups bei neueren Boxen wieder herausgenommen. "Die zitierte Insideraussage ist falsch", hieß es. Richtig sei, "dass 1&1 bei AVM keine Anforderung gestellt hat, einen ENUM Lookup einzubauen". Aktuell sei ENUM für 1&1 noch nicht interessant, und deshalb biete 1&1 weder ENUM-Domains an noch werden ENUM Look-ups seitens 1&1 gemacht.

Auch bei AVM verweist man auf die mangelnde Marktrelevanz von ENUM. "Mit der FRITZ!Box setzen wir auf einfachen Einsatz für alle Anwender. Und bei ENUM müssen wir leider feststellen, dass es immer noch ganz schön kompliziert ist", erklärte ein Firmensprecher "Aus unserer Sicht ist beispielsweise die Anmeldung bei ENUM auch kein Thema für den einzelnen Kunden. Er müsste dann neben dem Kontakt zu seinem Provider auch eine Beziehung zum DeNIC aufbauen – einfacher wird es dadurch nicht." Idealerweise würden solche Einträge automatisch erfolgen. Dies entspräche allerdings eher den Vorstellungen des so genannten Carrier-ENUM, bei denen die ENUM-Lookups das Routing von IP-Gesprächen erleichtern, ohne dass der Kunde die Möglichkeiten ausschöpft. Der AVM-Sprecher betonte allerdings: "Wir haben an dem Thema gearbeitet und es gibt auf technischer Seite die entsprechenden Kontakte." (Monika Ermert) / (jk)