Noch viele Fragen offen bei der TK-Vorratsdatenspeicherung

Laut Wirtschaftsministerium soll die geplante Entschädigung der Telekommunikationsanbieter für die Vorhaltung von Telefon- und Internetverkehrsdaten kommen, doch wer auf welche Informationen zugreifen können soll, ist offen.

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Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetverkehrsdaten führt weiter zu heftigen Diskussionen – und das auch nach der grundsätzlichen Positionierung des Bundestags zur Übernahme der Vorgaben aus Brüssel "mit Augenmaß". Unklar erscheint vielen Beteiligten etwa, welche Datentypen die Telekommunikationsanbieter überhaupt vorhalten sollen und wer auf die Informationshalden Zugriff erhält. Dies machte eine Diskussionsrunde auf dem Forum zur Kommunikations- und Medienpolitik des Branchenverbands Bitkom am heutigen Dienstag in Berlin deutlich. Weiter gediehen scheint die Meinungsbildung auch in der Bundesregierung dagegen schon in der für die Wirtschaft wichtigen Frage der Einführung einer Entschädigung für die Hilfssheriffstätigkeiten der Telcos. Der Bundestag habe die Regierung aufgefordert, zeitnahe eine Regelung für eine "angemessene" Kostenerstattung sicherzustellen, erklärte Georg Bröhl, Unterabteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium. "Wir wollen dies tun." Dabei werde sich sein Haus auch dafür einsetzen, eine Gleichzeitigkeit zum Inkrafttreten der Entschädigungsregelung mit dem Gesetz zur Richtlinienimplementierung herzustellen.

Auch in den Reihen der Großen Koalition ist die Willensbildung bei der geplanten Festschreibung von Erstattungssätzen bereits fortgeschritten. "Die Kosten, die entstehen", müssten abgeglichen werden, betonte Martin Dörmann, Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Telekommunikation im Wirtschaftsausschuss. Es könnte aber einen "ungeheueren bürokratischen Aufwand" bedeuten, die anfallenden Kosten bis ins Detail abzubilden. Eine pauschale Regelung werde daher wohl die beste Lösung sein. Dazu gebe es Vorgespräche in der Anknüpfung an die schon im vergangenen Jahr geführte Diskussion über eine damals noch nicht weit gekommene Erstattungsverordnung. Dabei könnte beispielsweise "minutengenau aufgelistet werden, "was an Zeit-, Personal- und Materialkosten entsteht", wenn Anfragen der Ermittler an Unternehmen gerichtet würden. Eine "Spreizung des Betrages" dürfte so laut Dörmann auch "die am Anfang stehenden Hardwarekosten mit abdecken".

Zumindest die Mitglieder des Wirtschaftssausschusses hätten prinzipiell auch ein Interesse daran, die anfallende Datenmenge möglichst gering zu halten, versicherte Dörmann den Industrievertretern. Falls die Ermittler aufgrund der Kosten dann "nur sehr vorsichtig Daten abfragen", wäre dies zudem aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu begrüßen. Einen konkreten Gesetzgebungsentwurf gibt es laut dem SPD-Politiker aber noch nicht. Er geht aber davon aus, dass die Regelung direkt ins Telekommunikationsgesetz aufgenommen werde.

Michael Bobrowski vom Bundesverband der Verbraucherzentralen zeigte sich weiter generell skeptisch über das groß angelegte Vorhaben zur pauschalen Überwachung der elektronischen Nutzerspuren: "Als Bürger macht es mich betroffen, dass ich jetzt auch noch letztlich die Erstattungskosten dafür bezahlen soll, dass ich ausgeforscht werde." Er appelliere eindringlich an die Politik, genau aufzupassen, "dass wir den Bogen nicht überspannen". Peter Büttgen, Referatsleiter beim Bundesdatenschutzbeauftragten, sorgte sich ferner, dass mit der Umsetzung der Direktive neue Begehrlichkeiten geweckt werden könnten. Insbesondere monierte er, dass gemäß dem Willen von Bundestag und Bundesjustizministerium Strafverfolger nicht nur bei schweren Straftaten, sondern auch bei "mittels Telekommunikation begangener" Delikte in den Datenbergen schürfen dürfen sollen. Dies würde sich vor allem im Bereich der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen auswirken, worauf bislang Strafen zwischen drei und fünf Jahren stehen. Ob dies schon als "schweres Delikt" zu begreifen sei, müsse man diskutieren. Für besonders problematisch hält es Büttgen aber, dass über die Schaffung eines Auskunftsanspruchs für Rechtehalter gegen Internetprovider auch "private Ansprüche über diesen Datenpool befriedigt werden könnten".

Hier meldete sich sofort auch Rainer Liedtke, Rechtsexperte von E-Plus, zu Wort. Seiner Ansicht nach könne es nicht sein, "dass die Daten im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen zugänglich gemacht werden, die Unternehmen selbst aber nicht darauf zugreifen dürfen". Zudem äußerte er starke Zweifel daran, dass Technik und Infrastruktur zum geplanten Umsetzungstermin für den Telefonsektor am 21. August 2007 stehen könnten. Es wäre kaum möglich, bis dahin die erforderlichen Systemhersteller mit den erforderlichen Änderungen zu beauftragen. Jakob Erkes von der Firma Itergo Informationstechnologie fürchtete ferner, dass angesichts der weiteren Ausbreitung breitbandiger Anschlüsse in wenigen Jahren mit den jetzigen Vorgaben eine "Volldatenspeicherung" bei allen beteiligten Carriern erforderlich sei und auch Geschäftsgeheimnisse nicht mehr geheim bleiben würden. Er hoffe, dass man nicht erst dann feststelle, dass die Sache aufgrund der enormen produzierten Kosten und der Erosion des Rechtsstaates "an die Wand gefahren" worden sei.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und beim Internetzugang anfallen, siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)