Junge Windenergie

Während die etablierte Windrad-Industrie auf immer mächtigere Maschinen setzt, arbeiten Bastler und Tüftler an kleinen, effizienten Modulen für den Hausgebrauch. Auch ein 19jähriger Schüler mischt dabei mit.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 49 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christine Jurgeit-Körner

Während die etablierte Windrad-Industrie auf immer mächtigere Maschinen setzt, arbeiten Bastler und Tüftler an kleinen, effizienten Modulen für den Hausgebrauch. Auch ein 19jähriger Schüler mischt dabei mit.

Erwartet hätte man eigentlich jemand anderen – einen Schwärmer vielleicht, einen, der von Wind und Wolken träumt. "Alles begann mit meinem Traum, einmal fliegen zu lernen", schrieb der Schüler Fritz Unger vor einem halben Jahr in einem Blog über seine Arbeit. Jahrelang hatte er im heimischen Kinderzimmer einen Flügel entwickelt. Jetzt – angeschoben wohl auch von Familie, Lehrern und Rotariern – will der erst 19jährige ein selbst entwickelte Kleinwindkraftwerk auf den Markt bringen.

Selbstbewusst und sehr viel erwachsener als erwartet steht Unger dann da. Routiniert präsentiert er in der heimischen Werkstatt sein Produkt, das gleich auf den ersten Blick aus der Reihe tanzt. So hat der "BreezeBreaker 500" zwei statt der üblichen drei Rotorblätter und sie werden nicht etwa aus glasfaserverstärktem Kunststoff oder Kohlenstofffasern gefertigt. Das von Unger entwickelte und patentierte aerodynamische Profil wird aus einem Stück Aluminiumblech gefaltet. Der Clou: Ein zweiter Flügel, der über dem Hauptprofil platziert wird, sorgt dafür, dass die Strömung länger an der Haupttragfläche anliegt. Das erhöht nach Angaben des Erfinders den Auftrieb um bis zu 30 Prozent. Die Anlaufgeschwindigkeit des rund 1,5 Meter messenden Rotors liegt dementsprechend bei drei Metern pro Sekunde, erklärt der Erfinder. Darunter sei die Energie zu gering.

Breezebreaker 500 Windrad

(Bild: FuSystems)

Der Wirkungsgrad liegt im Windkanal bei 40 bis 45 Prozent, in der Praxis bei 30 bis 35 Prozent. Die Nennleistung beträgt 800 Watt bei 12,5 Meter pro Sekunde (6 Beaufort). Wird der Wind stärker, steigert die Form der Rotorblätter ab einer bestimmten Drehzahl den Widerstand in Drehrichtung so stark, dass sie sich nicht mehr schneller dreht. Eine Abschaltung bei Sturm sei deshalb nicht nötig, sagt Unger. Bewährte Technologien wie Winglets, kleine Flügelchen an den Rotorenden zur Verringerung von Randvibrationen und Wirbelemissionen, hat er ebenfalls integriert.

Der Rotor ist mit 500 Gramm Gewicht extrem leicht und laut Unger nahezu unverwüstlich. Um zu testen, was passiert, wenn etwas in die rotierenden Flügel gerät, lässt der Erfinder sein Werk bei sehr hoher Drehzahl hart auf dem Boden aufschlagen. "Wir haben das schon ausprobiert bei 1600 Umdrehungen pro Minute. Da splittert nichts, das bricht nichts ab", so Unger. Alles was passiert, sei eine leichte Verbiegung des Rotors.

Eingerahmt von Grünpflanzen, die zum Überwintern aufgereiht auf einem Regal an der Wand stehen, demonstriert er, wie leicht sich das Windrad innerhalb von Minuten montieren lässt. Ein wichtiges Verkaufsargument. Denn kaufen sollen das Kraftwerk erstmal Privatleute. Geeignet wäre es zum Beispiel als Stromversorgung für Wohnwagen oder Segelboote - der Caravanhersteller Dethleffs will die Brauchbarkeit der Kleinkrafwerke als Energieliveranten testen.

Das Windrad speist über einen Laderegler eine Batterie, an der dann die Verbraucher angeschlossen werden. Auch könnte man sich zehn der Rotoren auf sein Dach stellen und den kompletten Haushalt versorgen, rechnet Unger vor. Das einzige, was den Jungunternehmer zu bremsen scheint, ist die lästige Verpflichtung namens Schule. Das iPhone ist im Unterricht immer dabei, so ist er stets erreichbar. Um seine Abiturprüfung im kommenden Sommer macht er sich keine Sorgen. "Das war bei mir nie ein Problem, das bekommt man schon hin". Direkt nach der Schule beginnt dann der Unternehmeralltag: Meetings, Pressearbeit, Marketingstrategien, Dienstreisen. Vier bis fünf Stunden Schlaf pro Nacht müssen ausreichen.

So ziemlich den gleichen Arbeitsalltag hat auch Julia Prochnau, gleicher Jahrgang, die Unger aus dem Musikunterricht kennt. Seit gut zwei Jahren arbeitet sie mit Unger an dem Projekt, bei dem sie sich heute um die Vertriebsstrategie kümmert. Beide bilden den "Thinktank", wie Pressesprecher Kay Bartelt es ausdrückt. Er lernte die beiden über den Rotary-Club Hannover-Leinschloss kennen, der die jungen Tüftler seit etwas mehr als einem Jahr unterstützt.

Ungers technisches Geschick gepaart mit Unternehmergeist waren es, die Bartelt davon überzeugten, in die neu gegründete Firma FuSystems einzusteigen. Er nennt Unger ein "großes Phänomen". Ähnlich ging es wohl auch anderen, die in den vergangenen Monaten den Weg des Jungunternehmers kreuzten und anschließend als Gesellschafter einstiegen. "Mittlerweile sind wir acht Mitglieder im Team", sagt Unger.

Aber was treibt Teenager an, diese Mühen auf sich zu nehmen? Es macht Spaß, sagt er und fügt hinzu, dass er am Anfang natürlich viel mehr an der Technik interessiert war als am Geldverdienen. "Aber es war von vorne herein auch ein Ziel, wie ich das ganze kommerziell nutzen kann."

Der Anzug passt dann eigentlich besser als erwartet und auch die Marketingsprache beherrscht Unger schon. Er spricht von Amortisationszeit, Energiesicherheit und Kosten pro installiertes Kilowatt. Der Jungunternehmer kennt die Ängste und Vorbehalte seiner potenziellen Kundschaft, die Kritik an Windenergie an sich: Schatten der Rotoren, Diskoeffekt, Geräuschemission und Vibrationen. Alle diese Probleme seien mittlerweile gelöst. Offizieller Markteintritt ist auf der Hannovermesse. Dann wird sich zeigen, ob die Visionen Realität werden, die den 19jährigen zusammen mit seinem Team treiben. (cjk)