Der Gründaholic

Es gibt Uhren-, Schuh- und Werkzeugmacher. Aber Firmenmacher? Michael Kohne hat Betriebe hochgezogen wie ein Maurermeister Häuser und sie dann mit Gewinn verkauft. Eine in Deutschland einmalige Karriere.

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Von
  • Susanne Donner

Es gibt Uhren-, Schuh- und Werkzeugmacher. Aber Firmenmacher? Michael Kohne hat Betriebe hochgezogen wie ein Maurermeister Häuser und sie dann mit Gewinn verkauft. Eine in Deutschland einmalige Karriere.

Ein Unternehmer muss doch was unternehmen“, sagt Michael Kohne gern. Er wundert sich, dass seine Geschäftspartner meist im Büro zu erreichen sind. Der Rat ist zugleich Kohnes eigenes Lebensmotto. Denn der umtriebige 57-Jährige hat sage und schreibe 14 Betriebe erfolgreich gegründet und fast alle gewinnbringend verkauft. Er selbst hat weder Schreibtisch noch Büro, ist immer unterwegs, pausenlos. Und wenn es ein Statussymbol gibt für diesen Mann, der nichts von Statussymbolen hält, dann ist es sein Satellitentelefon. Nur darüber erreicht man ihn, im Auto oder in Sitzungen, weltweit, auch an den entlegensten Orten. Dieses Leben als Vagabund ist Teil seines Erfolgs und führt wie ein roter Faden durch seine Biografie.

Zurzeit leitet Kohne die Smartfiber AG, ein Textilunternehmen im thüringischen Rudolstadt. Hier werden aus dem Holz skandinavischer Bäume moderne Fasern gewonnen und mit Meeresalgen oder Zink angereichert. Die Zutaten sollen gereizte Haut beruhigen. Smartfibers Kunden weben die Fasern zu Babykleidung, Betten und Bademänteln. Seit vergangenem Jahr werden auch wachshaltige Fasern hergestellt, nach dem Vorbild des Eisbärenfells. Die Produkte sind begehrt für Sportjacken und Ski-Unterwäsche, weil sie das Schwitzen wie das Frieren verhindern. Kohne bettet sich selbst in seinem thermoregulierenden Material. „Das wäre doch verrückt, wenn ich so tolle Produkte mache und sie selbst nicht nutze“, sagt er.

Kohne hat Smartfiber vor fünf Jahren gegründet. Knapp 40 Mitarbeiter beschäftigt er in der turnhallengroßen dreistöckigen Fabrik, die sich an die Bahngleise von Rudolstadt-Schwarza lehnt. Namhafte Bekleidungsausstatter wie Bogner, Sigikid, Triumph oder Peek & Cloppenburg verwenden die Fasern für ihre Kollektionen. Im Jahr 2009 überschritt das Unternehmen mit einem Umsatz von 2,5 Millionen Euro die Gewinnschwelle.

Von dieser Karriere des erfolgreichen Managers war Kohne als Kind himmelweit entfernt. „Ich bin ein Straßenkind“, offenbart der Selfmademan, der in einem ärmlichen Viertel Freiburgs aufwuchs, „es war sehr viel Böses um mich herum.“ Einsam ragen die Hochhäuser im Stadtteil Haslach aus dem badisch-freundlichen Stadtbild – sozialer Brennpunkt inmitten wohlsituierter Bürgerlichkeit. Er erinnert sich an tägliche Schlägereien, die Angst voreinander und die Wut aufeinander. Ein Stein in der Hand oder in der Hosentasche ist immer dabei, wenn ein Junge hier in den sechziger Jahren das Haus verlässt. Die meisten von Kohnes Schulfreunden rutschen aus der rauen Kindheit direkt in die Kriminalität.

Doch in Kohne wächst der unbändige Willen, so nicht leben zu wollen. Dazu trägt seine Familie auf tragische Weise bei. Die Mutter, eine fürsorgliche Hausfrau, begleitet ihn durch diese schwierigen Jahre, aber sein Vater, ein erfolgreicher Bauunternehmer, stirbt bei einem Unfall, als Kohne drei Jahre alt ist. Der Stiefvater bringt acht Stiefgeschwister mit. Er arbeitet nie, trinkt und schlägt. Als kleiner Junge bleibt Michael Kohne mit seinem Schmerz im Kinderzimmer allein.

Die Aggression, das unruhige Leben in Armut und Angst prägen ihn bis ins Mark. Kohne wird zum entschlossenen Einzelkämpfer, der weiß, was er will – und was nicht: Nach dem Schulabbruch mit 14 und einer geschmissenen Lehre als Kfz-Mechaniker ergreift er mit 20 Jahren eine neue Chance: Er darf als Einkäufer und Abteilungsleiter bei der Einzelhandelskette Plaza in Freiburg beginnen, verantwortlich für die Schallplatten-, Video- und Rundfunkabteilung.

Doch das Angestelltendasein ist auf Dauer nichts für den Jungen, der sein eigener Herr sein will. Nach zwei Jahren kündigt er und eröffnet einen Schallplattenladen in Freiburg-Emmendingen, auch aus Freude an der Musik. Es sind die bewegten siebziger Jahre, Funk und Reggae werden populär, die HeavyMetal-Bewegung formiert sich. Michael Kohne hört Bob Dylan, U2 und Wolfgang Ambros und verkauft ihre Platten. Das Musikgeschäft läuft nicht schlecht, aber Kohne tut sich trotzdem schwer. „Das hat nicht zu mir gepasst, in einem Laden zu stehen und zu warten, bis jemand kommt“, meint er rückblickend. Ein Jahr später tritt er das Geschäft entnervt an einen Freund ab.

Die Erfahrung ist ihm eine wertvolle Lehre. In allen späteren Unternehmen wählt er die Rolle des Aktiven, des ständig reisenden Vertriebschefs. Er möchte das Tempo seiner Arbeit selbst bestimmen. Und es ist ein unglaublich hohes Tempo. Er gründet eine Leasinggesellschaft, einen Verlag, ein Kommunikationsunternehmen. Er reibt sich auf für die Gründerjahre. Wochenenden versinken in Arbeit, Beziehungen zerbrechen. Doch sobald das Ärgste überstanden ist, wenn andere Firmenchefs endlich ruhiger schlafen, trennt sich Kohne kurzerhand von seinen mühsam großgezogenen Betrieben. Immer.

Weil er aber erfolgreich ist, kann er zusehends mehr Rücklagen bilden. Das Ersparte investiert er zum Teil wieder. Geld von Banken, diesen unvermeidlichen Brennstoff für den Wachstumsmotor, hat er für seine Firmengründungen nie benötigt, beteuert er. Ums Geld geht es ihm ohnehin nicht mehr, nachdem er die Armut seiner Kinderjahre hinter sich gelassen hat. Wohlstand wird zur profanen Mitgift in Kohnes Bund mit dem Karriereerfolg: Immer wieder geht er den Weg von tief unten nach weit oben, als wäre es eine Obsession. Er sucht das Wagnis der Gründung mit ungewissem Ausgang, um seine Unternehmen in florierende Betriebe zu verwandeln. Weil er sich nicht vor dem Nichts fürchtet, das er aus seiner Kindheit kennt, gibt er jedes Mal sein Geld und seine bisherige Karriere hin. Als müsse er sich wieder und wieder beweisen, dass er dem ärgsten Sumpf entkommen kann.

Dass er mit jedem Klimmzug höher kommt, nimmt Kohne nur am Rande zur Kenntnis. Firma Nummer 13 ist seine bis dahin ... (kd)