Französisches Parlament für Websperren ohne Richterbeschluss

Die französische Nationalversammlung hat den Teil eines geplanten Gesetzespakets zur inneren Sicherheit erneut verabschiedet, der eine Blockade von kinderpornographischen Webseiten vorsieht. Einen Richtervorbehalt soll es nicht mehr geben.

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Die französische Nationalversammlung hat erneut den umstrittenen Teil eines geplanten Gesetzespakets zur inneren Sicherheit verabschiedet, der eine Blockade von kinderpornographischen Webseiten vorsieht. Anders als bei der ersten Absegnung des Vorhabens im Februar soll dieses Mal eine Regierungsbehörde Internetprovider ohne Richterbeschluss zum Sperren inkriminierter Webseiten verdonnern können. Neben dem Parlament hatte zwar auch der Senat auf den Richtervorbehalt gedrängt. Der französische Innenminister Eric Besson von der Regierungspartei UMP setzte jedoch eine Regelung ohne Kontrolle durch die Justiz durch und erhielt dafür nun die erforderliche parlamentarische Mehrheit.

Der entsprechende Artikel gehört zum "Loppsi 2" (Loi d'orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure) genannten Gesetz, mit dem die französische Regierung die Sicherheitsbehörden unter anderem auch mit Befugnissen zu Online-Durchsuchungen ausrüsten will. Das Gesetz, das Anfang 2011 noch einmal den Senat passieren muss, soll auch Webseiten verbieten, die Kinder zu selbstmörderischen Spielen anregen.

Die zunächst im Entwurf aufgeführte Beschränkung der Web-Blockaden auf kinderpornographische Angebote halten Bürgerrechtler für ein "trojanisches Pferd", mit dem der Einstieg in eine allgemeine Zensur des Internets eröffnet werden solle. Die Organisation "La Quadrature du Net" sieht in der fehlenden justiziellen Aufsicht über die "geheime Schwarzen Liste" nun ihre Befürchtung bestätigt, dass es der Regierung auf eine allgemeine Kontrolle des Netzes ankomme. Es sei nicht möglich, die Umsetzung der Sperrmaßnahen zu verifizieren oder sich gegen sie rechtlich zur Wehr zu setzen. Dies komme einer "offenen Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit" gleich.

Das Collectif Liberté Egalité Justice warnt zudem, dass der Entwurf insgesamt nur auf mehr Datenbanken, Überwachung, Kontrolle und Abschreckung setze. Dem Anbringen von Videokameras im öffentlichen Raum werde etwa keine Grenze mehr gezogen. Patrick Bloche von den oppositionellen Sozialisten zeigte sich unsicher, ob mit dem Gesetz auch missliebige Seiten wie Wikileaks zensiert werden könnten. Er sei sich aber sicher, dass schier sämtliche kinderpornographischen Angebote bereits aus dem Web geschafft wären, wenn Regierungen zu diesem Zweck genauso viele Anstrengungen unternähmen wie für das Ausschalten der Whistleblower-Plattform. (vbr)