Programmierbare Mikroben

US-Forscher wollen die genetische Veränderung von Einzellern so einfach machen wie das Schreiben eines Computerprogramms. Im Labor konnten sie Bakterienkulturen bereits in komplexe biochemische Schaltkreise verwandeln.

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Von
  • Katherine Bourzac

US-Forscher wollen die genetische Veränderung von Einzellern so einfach machen wie das Schreiben eines Computerprogramms. Im Labor konnten sie Bakterienkulturen bereits in komplexe biochemische Schaltkreise verwandeln.

Genetisch veränderte Mikroben gelten als die Biomaschinen der Zukunft: Mit ihrer Hilfe wollen Forscher Kraftstoffe und Medikamente produzieren oder Schadstoffe aus verseuchten Böden entfernen. Die Veränderung der Gene erfordert bislang aber aufwändige Experimente im Labor. Christopher Voigt, Biologe an der University of California in San Francisco (UCSF), will dies drastisch vereinfachen: Er entwickelt gemeinsam mit der Firma Life Technologies eine Software, um den Entwurf „genetischer Schaltkreise“ zu automatisieren.

Damit werden Stoffwechselvorgänge in der Zelle bezeichnet, die aus der Aktivität von Genen, Proteinen und anderen Biomolekülen entstehen. Sie dienen dazu, etwa Zucker in die molekularen Bestandteile von Kraftstoffen zu verwandeln. Voigt und seine Kollegen haben bereits mit verschiedenen genetischen Bausteinen solcher Schaltkreise für das Bakterium Escherichia coli (E. coli) experimentiert.

Ziel sei nun, das neue Mikroben-Genome so zu konstruieren wie man ein Computerprogramm schreibe, sagt Voigt. Programmierer müssten schließlich nicht mehr darüber nachdenken, wie sich Elektronen in einem integrierten Schaltkreis zwischen den Elektroden bewegen. Auf einem vergleichbaren Abstraktionsniveau solle künftig auch die Konstruktion von Schaltkreisen aus Genen und Proteinen erfolgen, so Voigt. „Wenn es uns gelingt, Rechenprozesse auf die Fähigkeiten von Bakterien anzuwenden, bekommen wir die volle Kontrolle über die Herstellung von Spinnenseide und anderen wertvollen Chemikalien.“

Anstatt die Bildung solcher Stoffe durch äußere Einflüsse anzustoßen, würden die Genschaltkreise die chemischen Bedingungen im Innern der Zelle selbst regulieren, um die Stoffe in großen Mengen zu produzieren. „Wir wollen die Zelle dazu bringen, dass sie versteht, in welcher Umgebung sie sich befindet und was sie darin tun soll“, sagt Voigt.

Ein erstes Beispiel ist das biochemische Gegenstück zu einem NOR-Gatter in E. coli-Bakterien, das Voigts Gruppe kürzlich in Nature veröffentlicht hat (Advanced Online Publication). Ein NOR-Gatter – Nor steht für „Not-Or“, also „Nicht-Oder“ – kann man sich als eine Weder-Noch-Operation vorstellen: Nur wenn keines der beiden Eingangsignale den Wert „1“ hat, ist das Ausgangssignal „1“. Der Vorteil an NOR-Gattern ist, dass sie, richtig kombiniert, jede beliebige logische Operation ermöglichen.

Im Bakterium sieht das dann folgendermaßen aus: In das E. Coli-Genom werden zwei so genannte Promoter-Sequenzen eingefügt. Dies sind DNA-Stücke, die ein nachfolgendes Gen aktivieren können. Das Gen wird dann chemisch ausgelesen, was zur Bildung eines Proteins führt. Ein Promoter reagiert dabei auf die Anwesenheit des Zuckermoleküls Arabinose, der andere auf die Verbindung Anhydrotetracyclin (ATC). Ist auch nur einer der beiden Stoffe vorhanden, wird ein Gen aktiviert, das ein so genanntes Repressorprotein bildet. Dieses wiederum unterbindet die Produktion des Gelb fluoreszierenden Proteins YFP. Fehlen beide Stoffe, entsteht hingegen YFP – das Bakterium beginnt zu leuchten.

In einem zweiten Schritt verwandelte Voigts Gruppe dann eine Bakterienkolonie, in der jede einzelne Zelle ein solches genetisches NOR-Gatter enthielt, in einen komplexen Schaltkreis. Damit konnten sie dann verschiedene logische Operationen biochemisch umsetzen – „einschließlich der schwierigen XOR- und EQUALS-Funktionen“, schreiben die Forscher. Zudem war der Signal-Output der gesamten Bakterienkolonie stärker als der von einzelnen Mikroben. Hierfür nutzten die Forscher einen chemischen Kommunikationsmechanismus von Bakterien untereinander, der „Quorum Sensing“ genannt wird. Man kann sich dies als ein Abstimmungsverfahren unter den Einzellern einer Kolonie vorstellen: Sie aktivieren spezielle Gene nur dann, wenn ihre Population eine bestimmte Zelldichte hat.

James Collins, Biomediziner an der Boston University, hält die Arbeit von Voigts Gruppe für einen Meilenstein in der Synthetischen Biologie, die die Gentechnik zu einer exakten Ingenieurwissenschaft machen will. „Sie erweitert unsere Fähigkeiten, funktionale, programmierbare Bakterien zu erzeugen“, so Collins. Entscheidend sei, Schaltkreise in einzelnen Zellen auf der Ebene einer ganzen Population in einen komplexeren zu verwandeln. Dies sei ein wichtiger Schritt, um die Leistungsfähigkeit synthetischer Ökosysteme für biotechnische Anwendungen fruchtbar zu machen.

In diesem Jahr wollen die UCSF-Forscher weitere Module für die Mikroben-Programmierung entwickeln. Todd Peterson, CEO von Life Technologies, hofft, bis Jahresende die meisten Schaltkreis-Module von Voigts Gruppe in die firmeneigene Software NTI integrieren zu können.


Das Paper:

Tamsir, Alvin et al., „Robust multicellular computing using genetically encoded NOR gates and chemical ‘wires’“, Nature, AOP, 8.12.2010, (Abstract) (nbo)