Stolpersteine auf dem Weg zum "Internet der Energie"

Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben auf dem 2. E-Energy-Kongress verstärkte Anstrengungen zum Aufbau von "Smart Grids" gefordert. Die IT-Branche macht sich für einen konkreten Zeitplan analog zur Breitbandstrategie stark.

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Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben auf dem 2. E-Energy-Kongress am Dienstag in Berlin verstärkte Anstrengungen zum Aufbau von "Smart Grids" gefordert. "Wir wollen den Aufbau eines Internets der Energie" unterstützen", betonte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Dafür sei eine enge Zusammenarbeit der Energiewirtschaft mit der ITK-Branche nötig. Zudem müsse die Industrie hierzulande über den Tellerrand hinausschauen, um nicht nur ein "Intranet der Energie" zu schaffen. Nicht zuletzt sei der Datenschutz bei intelligenten Stromzählern zu gewährleisten, da diese viele personenbezogene Informationen über den Verbrauch sammelten. Der FDP-Politiker hält daher ein "Schutzprofil für die Bürger" für nötig.

Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer sieht Datenschutz und -sicherheit dagegen nicht als "stark begrenzendes Thema" auf dem Weg zu den Energienetzen der Zukunft an. Er appellierte an die Politik, klare Ziele und Vorgaben für Smart Grids analog zur Breitbandstrategie der Bundesregierung zu setzen. In einem entsprechenden Zeitplan müssten "nachprüfbare Meilensteine" definiert werden. Generell hat die IKT-Branche Scheer zufolge die Fähigkeit, "komplexe Systeme zu steuern". Die Kompetenz für Beratung und zum Netzausbau sei vorhanden. Zudem seien gerade große Internetunternehmen oder Chipentwickler selbst "große Energieverbraucher". Rechnerzentren würden maßgeblich dort hingesetzt, wo große Energiequellen kostengünstig zur Verfügung stünden. "Wir helfen aber auch, den Verbrauch zu senken", führte der Bitkom-Chef weiter aus. Dies geschehe etwa durch die Optimierung von Verkehrsflüssen oder die Steuerungsverbesserung in der Industrie.

Den erforderlichen "großen Umbau" der vorhandenen Strominfrastrukturen bezeichnete Hildegard Müller vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) als "Operation am offenen Herzen". Derzeit befände sich die Stromwirtschaft in einer Übergangsphase. Dabei werde das alte System noch "lange gebraucht", es produziere aber zu viel CO2. Das neue dagegen "trägt noch nicht". So müssten vor allem noch neue Speichertechnologien entwickelt werden. Insgesamt sei es nötig, neue Stromerzeugungsanlagen "schnell und problemlos ins Gesamtnetz" einbinden zu können. Den Investitionsbedarf für den Aus- und Umbau bis 2030 bezifferte Müller mit 20 bis 25 Milliarden Euro. Die Regierung müsse daher auch nach dem Auslaufen des jetzigen E-Energy-Projekts 2012 neue Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich setzen.

Die Herausforderungen der laufenden Standardisierung von Smart Grids erläuterte Klaus Wucherer, Präsident der International Electrotechnical Commission (IEC). Ein erstes White Paper "für die nächsten 20 Jahre" habe die Normungsorganisation bereits veröffentlicht. Konkret gehe es um die "Verbindung vieler Erzeuger mit vielen intelligenten Verbrauchern." Windkraft- und Solarsysteme richteten sich dabei "in keiner Weise danach, wann Energie gebraucht wird". Das von der Politik vielfach beschworene intelligente Kühlhaus, das seine Energie vor allem in geringen Lastzeiten abrufe, reiche daher nicht zur Ausbalancierung aus. Es müsse auch neue Formen zur chemischen Speicherung von Energie geben, meinte Wucherer.

Werner Schnappauf, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), sprach von einer "revolutionären Entwicklung", die von einer "Avantgarde" vorangetrieben werde. Millionen von Privathaushalten nutzten bereits Solaranlagen auf ihren Dächern, Feldern und Scheunen. "Ohne ertüchtigte Netze gibt es aber keinen grünen Strom", machte der BDI-Chef klar. Es sei daher wichtig, jetzt ein "Umsetzungspaket" zu schnüren und dafür "alle Beteiligten an einen Tisch" zu bringen. Auch die Bürger sollten über Internetkonsultationen von Anfang an einbezogen werden und "ein absolut transparentes Verfahren bekommen". Nicht zuletzt werde ein Referenzprojekt für smarte Energienetze am Standort Deutschland gebraucht, um nicht "wie beim Transrapid" zu enden. (vbr)