ProzessorgeflĂĽster
Das neue Jahr fängt turbulent an: Intel präsentiert einen tollen neuen Prozessor mit integrierter Grafik, wird aber dennoch von vielen Szenebeobachtern zum großen Verlierer der Consumer Electronics Show erklärt. Nicht besser ergeht es der Firma Microsoft, die allmählich in Panik gerät und schnell noch auf den ARM-Zug aufspringen will – und AMD-Chef Dirk Meyer schmeißt das Handtuch.
- Andreas Stiller
Offenbar traut AMDs Verwaltungsrat dem Techniker Meyer, der AMD einst mit dem Design des Athlon-Prozessors an die technologische Spitze gebracht hatte, nicht zu, mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Prozessorhauses fertig zu werden. Zwar hat er nach dem Abgang von Hector Ruiz die Firma grundsaniert und mit massiver arabischer Hilfe die Halbleiterfertigung zu Globalfoundries abgespalten, aber Bugs und lange Verzögerungen bei wichtigen Prozessoren (Barcelona, Bulldozer, …), das Verschlafen der Netbook- und Tablet-Trends sowie die möglicherweise ungeschickte Preisgabe des Smartphone- und TV-Chip-Marktes (Verkauf der Ex-ATI-Sparten Imageon an Qualcomm und von Xilleon an Broadcom) werden ihm angelastet.
(Bild:Â AMD (links), Microsoft (rechts))
Nun soll ein noch zu findender neuer CEO und Präsident die Möglichkeit nutzen, den „Shareholder-Value zu vergrößern“. Der aus Deutschland stammende Interims-Chef Thomas Seifert, der seit 2009 als CFO für die Finanzen bei AMD zuständig ist, soll und will das nicht verrichten – seine Vorfirma Qimonda hat sich in dieser Beziehung ja auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Vielleicht kommt nun Microsofts langjähriger Manager Bob Muglia für den Posten in Frage, hat er doch gleichzeitig mit Meyer ebenfalls angekündigt, seine Firma zu verlassen. Muglia ist nach Steve Ballmer und nach dem Rückzug des legendären Software-Architekten Ray Ozzie im Oktober 2010 der wohl einflussreichste Manager in Redmond. Er wirkt im Führungsteam bei allen wichtigen Wirtschafts- und Technologieentscheidungen mit und sorgt als Chef der Server- und Tools-Sparte (Windows Server, SQL Server, Visual Studio, System Center, Windows Azure Platform, Cloud Computing) für eine der ergiebigsten Einkommensquellen des Konzerns. Vielleicht war er im Dissens mit dem Chef über Silverlight und HTML5 oder er wollte die von Ballmer verkündete UmARMung (siehe S. 32) nicht mittragen, damit wäre er bei AMD goldrichtig.
UmARMung
Auf der CES hat Ballmer jedenfalls mit seiner neu entbrannten Liebe zu ARM samt dessen ganzer Großfamilie (Nvidia, Qualcomm, Texas Instruments …) den alten Ehe-Partner Intel ziemlich brüskiert. Zu Oak Trail, Intels eigens für Windows „nachgerüstetem“ Atom-Prozessor, verlor er kein Wort. Und obwohl Intel im letzten Oktober verkündet hatte, der Prozessor sei in voller Volumenproduktion, war von ihm auf der CES so gut wie nichts zu sehen: ein paar wenige unspektakuläre Prototypen – das wars.
„Ich bin begeistert, dass Windows 8 auch Intel bis hinab in die anderen Geräte unterstützt. Bislang haben wir keine Möglichkeit, für Microsoft-basierte Telefone oder Tablets irgendwas zu verkaufen“ – so Intel-Chef Otellini in einem vielsagenden Kommentar. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und was heißt schon „Tablets und Telefone“? Klar, Intel bekommt mit Windows 8 einen erheblich besseren Zugang zu den Gadgets als mit Moblin oder MeeGo, umgekehrt öffnet Microsoft aber der ARMee die Tore zu den heiligen x86-Märkten.
Fusion ganz anders
Eigentlich sollten Intels Sandy Bridge und AMDs Fusion mit ihrer eingebauten Grafik Nvidia das Wasser abgraben, zumindest im Markt der Einstiegs- und Mittelklassegrafik. Doch Nvidias charismatischer CEO Jen-Hsun Huang kontert die Attacke nun geschickt mit eigenen Prozessoren. Nvidias Tegra 2, der erste Dual-Core der ARM-Cortex-A9-Riege samt integrierter GeForce-Grafik, ist fertig und kommt unter anderem in Tablets beziehungsweise Smartphones von Dell, Motorola, LG und Toshiba zum Einsatz. Pikanterweise trat LG auf der letzten CES noch als Intel-Partner mit einem geplanten Smartphone mit Moorestown-Prozessor auf.
Doch Tegra ist erst der Anfang, denn nun, so Huang, will Nvidia mit Android und dem künftigem Windows 8 gewappnet den langen Marsch hin zu den Notebooks, Desktop-PCs und Servern antreten; Projekt Denver, so heißt die hauseigene Roadmap zur Entwicklung von dafür tauglichen CPUs auf Basis des ARM-Befehlssatzes. Da kann sich Intels Vizepräsident Dadi Perlmutter noch so sehr darüber mokieren, dass Nvidia bis vor kurzem gepredigt habe, CPUs wären völlig unwichtig – und nun bauen sie doch selber welche. Und Intel hilft dabei auch noch finanziell: Gemäß des Einigungsvertrages im bislang schwelenden Patentstreit über Chipsätze wird Intel in den nächsten sechs Jahren insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar an Nvidia berappen, bekommt dafür aber auch das Recht, alle Nvidia-Patente zu nutzen. Das dürfte vor allem Intels Grafiksparte in Folsom interesssieren.
Umgekehrt gilt das Patentaustauschabkommen indes nur eingeschränkt, denn der Vertrag klammert explizit das Recht aus, x86-Prozessoren herzustellen oder Intels NAND-Flash-Technik zu nutzen. Chipsätze für Intel-CPUs darf Nvidia weiterhin herstellen, will das laut Jen-Hsun Huang aber gar nicht mehr. Er deutet allerdings eine engere Kooperation mit Intel bei GPU-Kernen an; die PowerVR-Grafik von Atom Z500 und Z600 kauft Intel schließlich auch bloß zu.
Mit den Tegras drängt Nvidia aber selbst auf klassische ARM-Märkte, insbesondere dort, wo die Grafik im Vordergrund steht, etwa im Automobilbereich. Auch Intel will unbedingt in diesen Markt und konnte mit dem Atom einige Anfangserfolge erzielen, beispielsweise mit Partner BMW. Doch genau den konnte Nvidia Intel jetzt abspenstig machen. BMWs Navigations- und Fahrzeuginformationssystem iDrive setzt in Zukunft auf Nvidias Tegra – genauso wie Tesla Motors und schon geraume Zeit Audi. Auch hier wird also das Rennen spannend. (as)