Zehn Jahre Wikipedia

Eines der Vorzeigeprojekte des Internet feiert Geburtstag: Am 15. Januar 2001 ging die Wikipedia ans Netz und ist in zehn Jahren zu einer der meist genutzten Websites weltweit geworden. Bis 2015 wollen die Macher eine Milliarde Menschen erreichen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Am heutigen Samstag feiert eines der Vorzeigeprojekte des Internet einen runden Geburtstag: Die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia startete am 15. Januar 2001. Mit Hilfe unzähliger freiwilliger Autoren ist das nichtkommerzielle Projekt zu einer der meist besuchten Webseiten der Welt aufgestiegen und hat den Umgang mit Wissen wesentlich beeinflusst. "Es ist kaum zu glauben, dass es zehn Jahre her ist, dass ich das erste Mal in der Wikipedia geschrieben habe", sagt Jimmy Wales, Mitgründer der Wikipedia in einer Geburtstagsbotschaft. "Ich erinnere mich an diesen ersten Tag. Ich klickte auf den Editier-Knopf und schrieb Hallo Welt".

Welche bescheidenen Anfänge die ersten Wikipedia-Artikel hatten, lässt sich heute online nachvollziehen. So hat Kurt Jansson, Wikipedia-Aktivist der ersten Stunde, einen Wikimedia-Mirror von August 2001 online gestellt, Autor Rob Reagle veröffentlicht auf seiner Website die ersten Edits der englischsprachigen Wikipedia.

Unzählige Internet-Nutzer haben es Wales nachgemacht – heute zählt Wikipedia über 17 Millionen Artikel in über 270 Sprachen. Allein die deutschsprachige Wikipedia enthält über 1,1 Millionen Artikel, täglich kommen zirka 400 weitere hinzu. Weltweit besuchen mittlerweile 400 Millionen Nutzer pro Monat die Wikipedia, Tendenz steigend. Die Wissensplattform gehört damit zu den zehn meistgenutzten Angeboten des Internets.

Wales appelliert nun an die vielen Leser, sich auch als Autoren zu engagieren: "Es gibt noch viel zu tun", sagt Wales. Gleichzeitig arbeitet die gemeinnützige Wikimedia Foundation daran, die Wikipedia auch in Entwicklungsländern populär zu machen und sich als kostenlose Quelle verlässlichen Wissens zu etablieren. Wo die Reise hinführt, erklärt Sue Gardner, die seit drei Jahren die Geschäfte der Stiftung führt: "Bis 2015 wollen wir eine Milliarde Menschen erreichen." Gleichzeitig will sie auch die Diversität steigern: "Wir wollen mehr Leser überzeugen, zur Wikipedia beizutragen, mehr Frauen, mehr Menschen von der Südhalbkugel".

Um diese Mission zu erfüllen, beschreitet die US-Stiftung neue Wege. In Kürze will sie in Indien ein eigenes Büro eröffnen, das die Entwicklung der Wikimedia-Gemeinden in Asien unterstützen soll. Weitere Büros in Brasilien und in einem arabischen oder afrikanischen Land sollen folgen. Denn gerade Entwicklungsländer sind in der Wikipedia immer noch unterrepräsentiert. So kommt zum Beispiel die Wikipedia-Ausgabe in der afrikanischen Sprache Suaheli auf gerade einmal 21.000 Artikel – trotz handfester Unterstützung durch den Internet-Konzern Google und der Beteiligung europäischer Autoren.

Doch auch in den westlichen Ländern ist Wikipedia nicht ohne Probleme. Das Online-Lexikon befindet sich seit Beginn in einem Spannungsfeld zwischen Offenheit und Qualitätsansprüchen. "Wenn wir den Artikel über George W. Bush freigeben, dauert es nur 36 Sekunden, bis er vandalisiert wird", sagte Jimmy Wales am Donnerstag in einer Rede im englischen Bristol. Ob die zur Vandalismus-Bekämpfung eingesetzten Artikelsperren aber wirklich langfristig nutzen, ist nach neusten Forschungen zumindest fraglich.

Besonders erfolgsfördernd war die Symbiose mit Google. Schon nach den ersten Jahren des Bestehens wurden die Wikipedia-Einträge in den Ergebnissen von Google oft auf der ersten Seite, wenn nicht gar auf dem ersten Platz angezeigt. Für beide Angebote war dies von Vorteil: Wikipedia erhielt durch Google einen ständigen Zustrom von Lesern und wurde somit auch für Autoren attraktiver. Google konnte im Gegenzug seinen Besuchern ein Ergebnis liefern, das auf knappen Raum das gewünschte Thema anschaulich beschrieb.

Doch diese Lesermacht sorgte auch für Probleme: So wurde Wikipedia immer wieder zum Schauplatz politischer Grabenkämpfe und zum Tummelplatz für Internet-Trolle. Die gesteigerten Qualitätsansprüche und ein Klima des Misstrauens machen es neuen Nutzern mittlerweile schwer, sich in der Online-Enzyklopädie einzubringen. Zwar lässt sich ein Autorenschwund nicht mit Sicherheit feststellen, die Wikimedia Foundation versucht aber neue Autorenkreise mit Lehrveranstaltungen und einer Artikel-Bewertungsfunktion zu gewinnen.

Sie dazu auch:

  • Zehn Jahre Wikipedia. Der c't-Hintergrundartikel zeichnet die Entwicklung der Online-Enzyklopädie nach.

(vbr)