"Die Softwarepatent-Richtlinie ist trügerisch, gefährlich und demokratisch nicht legitimiert"

Mit Linus Torvalds, Michael Widenius und Rasmus Lerdorf haben sich drei der berühmtesten Open-Source-Entwickler an den EU-Rat gewandt, um zu verhindern, dass dieser Ende der Woche den vorliegenden Entwurf zur Softwarepatent-Richtlinie verabschiedet.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Mit Linus Torvalds (Linux), Michael Widenius (MySQL) und Rasmus Lerdorf (PHP) haben sich drei der berühmtesten Open-Source-Entwickler Europas an den EU-Rat gewandt, um zu verhindern, dass dieser Ende der Woche den vorliegenden Entwurf zur Softwarepatent-Richtlinie verabschiedet. In einer gemeinsamen Erklärung, die auf NoSoftwarePatents.com veröffentlicht wurde, bezeichnen sie die umstrittene "Richtlinie zur Patentierbarkeit computer-implementierer Erfindungen" als "trügerisch, gefährlich und demokratisch nicht legitimiert".

"Wir bitten die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, welche im EU-Rat vertreten sind, dringlich, sich der diskussionslosen Annahme des besagten Vorschlags als so genannten 'A'-Punkt entgegenzustellen. Im Interesse Europas darf ein solch trügerischer, gefährlicher und demokratisch illegitimer Vorschlag nicht zum gemeinsamen Standpunkt der Mitgliedsstaaten werden", heißt es in der Erklärung.

Der fragliche Richtlinienentwurf sei trügerisch, weil er Laien -- und sogar solche Juristen, die sich nicht mit den Feinheiten des Patentrechts auskennen -- zur falschen Annahme verleite, dass dieser Text Software von der Patentierbarkeit ausschließen würde. Es sei jedoch in Wirklichkeit eine Zusammenstellung der Gesamtheit aller Ausreden, mit denen das Patentwesen schon seit vielen Jahren den Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens umgehe, um Patente auf Software-Ideen zu erteilen.

"Diejenigen, die sagen, dass diese Richtlinie keine Patente auf Software zulassen würde, geben dem Begriff 'Software' eine eigenwillige Definition, die Haarspalterei ist", heißt es weiter in der Erklärung. Der richtige Weg, um zwischen Softwarepatenten und Patenten auf computergesteuerte Geräte zu unterscheiden, bestehe darin, dass die Verarbeitung, Bearbeitung und Darstellung von Informationen aus der Definition des Wortes "technisch" für Zwecke des Patentrechts ausgeschlossen werde, Patente auf Innovationen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung untersagt und die Anforderung aufstelle, dass "Naturkräfte dazu genutzt werden, physikalische Effekte über die digitale Sphäre hinaus zu steuern".

Die fragliche Gesetzgebung enthalte viele Bestimmungen, die hilfreich aussehen, falls jemand das Wort "technisch" im Sinne des gesunden Menschenverstandes interpretiert. Das Patentwesen habe jedoch schon seine eigene Definition dieses Begriffs ausgedrückt und unter Beweis gestellt. Dies sei eine Deutung, die fast alles einschließt, was ein Computer machen kann. Zudem reiße Artikel 5 Abs. 2 des Gesetzgebungsvorschlags alle Barrieren gegenüber der Patentierbarkeit von Software ein, indem er ausdrücklich so genannte "Programmansprüche" zulasse.

Softwarepatente seien für die gesamte Wirtschaft gefährlich, besonders für die europäische. Die Gesetzgeber sollten die Warnungen solcher angesehener Organisationen wie der Deutsche Bank Research, des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und PricewaterhouseCoopers beherzigen. Auf den ersten Blick scheine ein Patent einen Erfinder zu schützen, doch die tatsächlichen Auswirkungen könnten auch das Gegenteil sein, abhängig vom Gebiet. Das Urheberrecht diene Software-Autoren, während Patente sie potenziell ihrer eigenen, unabhängig erbrachten Leistungen beraubten. Das Urheberrecht sei fair, weil es allen gleichermaßen zur Verfügung steht. Ein Softwarepatent-Regime würde das Recht des Stärkeren etablieren und letztlich mehr Unrecht als Recht schaffen, stellen die Open-Source-Entwickler fest.

"Insbesondere glauben wir, dass die wirtschaftlichen Chancen der neuen EU-Mitgliedsstaaten durch Softwarepatente gefährdet werden. Die vielen talentierten Softwareentwickler in diesen Ländern sollten eine faire Chance erhalten. Die Durchschnittskosten eines europäischen Patentes liegen im Bereich von 30.000 bis 50.000 Euro, und ein Unternehmen benötigt eine sehr große Zahl solcher Patente, um in der Lage zu sein, in 'Cross-licensing'-Verträge mit internationalen Großkonzernen einzutreten, die jeder zehntausende von Patenten halten."

Die Open-Source-Programme, die von Linus Torvalds, Michael Widenius und Rasmus Lerdorf entwickelt wurden, bilden drei der vier Teile des "LAMP"-Konzepts. Linux (Betriebssystem), Apache (Web-Server), MySQL (Datenbank) und PHP (Programmiersprache) laufen auf Millionen von Internet-Servern weltweit in dieser Kombination.

Seit dem 1. November gelten neue Stimmengewichte in der EU unter dem Beitrittsvertrag. Die Gesamtzahl der Stimmen aller Länder, die ausdrücklich den Gesetzgebungsvorschlag am 18. Mai unterstützten, beträgt 216, liegt also unter den benötigten 232. In den 216 Stimmen sind zudem die Stimmen der Niederlanden und Deutschland enthalten. Am 1. Juli verabschiedete eine breite Mehrheit der Tweede Kamer eine Entschließung, nach der die niederländische Regierung ihre Unterstützung für den fraglichen Vorschlag zurückziehen solle. Am 21. Oktober bezogen alle vier Fraktionen des Deutschen Bundestags eine ähnliche Position und kritisierten den Gesetzgebungsvorschlag vom 18. Mai als eine Gesetzgebung, die Softwarepatente zulassen würde. (pmz)