WIPO Broadcasting Treaty: Kampf mit harten Bandagen

Der Vertrag soll Fernsehanstalten die ausschließlichen Rechte zur Wiederausstrahlung ihrer Sendungen für den Zeitraum zwischen 20 und 50 Jahren erlauben. Darüber kam es nun in einer Sitzung des Ständigen Urheberrechts-Ausschusses der WIPO zum Streit.

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Von
  • Monika Ermert

In einem regelrechten Krieg der Geschäftsordnungsanträge endete vergangenes Wochenende laut Vertretern mehrerer Nicht-Regierungsorganisationen die Sitzung des Ständigen Ausschusses Urheberrecht und verwandte Rechte (SCCRR) der World Intellectual Property Organisation (WIPO). Da sie ihre inhaltlichen Vorschläge zu dem nach wie vor heftig diskutierten "Broadcasting Treaty" (DOC-Datei) -- einer Erweiterung der Rechte für Rundfunk- und Sendeanstalten und an dem Ausbau des Schutzes von audiovisuellen Darbietungen -- vom finnischen Vorsitzenden Jukka Liedes nicht berücksichtigt sahen, konterten Indien und Brasilien dessen Sitzungsleitung mit dem Hinweis, dass seine fortgesetzte Leitung der SCCRR der WIPO-Satzung widerspreche.

Der seit Jahren diskutierte internationale Vertrag soll Fernsehanstalten unter anderem die ausschließlichen Rechte zur Wiederausstrahlung ihrer Sendungen für den Zeitraum zwischen 20 und 50 Jahren erlauben. Er geht damit über Rechte in früheren internationalen Verträgen wie dem Vertrag von Rom oder dem TRIPS-Abkommen hinaus. Brasilien, Indien, Argentinien, Ägypten und weitere WIPO-Mitglieder warnen davor, dass die den Sendeanstalten verliehenen Rechte auf Kosten der Entwicklung in ihren Ländern gehen. Brasilien hatte die Streichung des Artikels 16 des geplanten Broadcasting Treaty gefordert, in dem die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen von Fernsehveranstaltern für ihre Programme zugesichert wird. Chile legte zu Beginn der Sitzung einen Vorschlag vor, der Ausnahmen für die Bereiche Wissenschaft und Bildung festschreiben soll. Insgesamt, so die Analyse von IP-Justice, blieben die Belange der Allgemeinheit in dem Vertragswerk völlig unterbelichtet.

Liedes erzwang gegen mehrere Entwicklungsländer eine Abstimmung seiner Vorschläge, auch dies gegen bisherige Gepflogenheiten der Organisation. In der Regel wird bei der Abfassung von Vertragstexten ein Konsens geschmiedet. Die US-Organisation IPJustice spricht in ihrem Abschlussbericht von einer ungültigen und "illegalen" Entscheidung. IP-Justice warf der WIPO zugleich vor, die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen im Verlauf der Sitzung massiv gestört zu haben.

Als besonders problematisch bezeichnet IP-Justice in seinem Statement zur SCCR-Sitzung noch einmal die Tatsache, dass nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die eigentlich Kreativen -- Regisseure oder Schauspieler -- zugunsten der Fernsehanstalten auf ihre Rechte verzichten sollen. Auch sie sind für eine Wiederausstrahlung oder Weiterverwertung dann auf die Zustimmung der Sendeanstalt angewiesen. Die Sender könnten damit auch verhindern, dass Künstler unter alternativen Lizenzen wie der Creative Commons Lizenz veröffentlichen. Hoch umstritten ist schließlich auch die Einbeziehung von Webcasting-Angeboten, die allein auf Druck der USA nach wie vor im Vertragsentwurf steht. Die Regulierung von Webcast-Angeboten würde im Handstreich Millionen von Nutzern den Regeln des Broadcasting Treaty unterwerfen, warnte IP Justice.

Wie es nach der chaotischen Sitzung in der vergangenen Woche nun weitergeht, ist ungewiss. Während die WIPO in ihrer Pressemitteilung eine rasche Beilegung der noch verbliebenen Unstimmigkeiten sieht, warnen die Nichtregierungsorganisationen, dass bei den Regionaltreffen Gegner wie Brasilien und Indien weichgeklopft werden sollen. Laut WIPO-Darstellung fordern einige Mitgliedsstaaten den Vertrag nun so schnell wie möglich abzuschließen. (Monika Ermert) / (anw)