Bloggerszene streitet über bezahlte Links [Update]

"Bloggergate" oder gängige Praxis: Zahlreiche Blogs wurden für die Veröffentlichung von Keyword-Links in redaktionellem Umfeld bezahlt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Herbert Braun

Von einem "Bloggergate", einem "Tsunami" spricht Sascha Pallenberg, Betreiber von Netbooknews und damit einer der bekannteren Blogger Deutschlands. Sein Vorwurf: Die News-Site Onlinekosten.de und das Blog Basic Thinking, die beide zur Intergenia AG gehören, hätten mehr als hundert Blogger zur Schleichwerbung verführt und diese mit Knebelverträgen zum Schweigen verpflichtet.

Nach Informationen Pallenbergs habe Christoph Berger, Geschäftsführer von Basic Thinking und Onlinekosten.de, zahlreiche Blogger kontaktiert und ihnen eine "Kooperation" angeboten. Die Blogger sollten Links mit passenden Keywords auf ihren Sites platzieren und dafür 25 Euro pro [Korrektur: Monat und] Link erhalten. Diese Links durften nicht als Werbung gekennzeichnet werden. Außerdem verpflichtete Onlinekosten.de die Blogger zur Geheimhaltung über diese Verabredung, ansonsten drohe eine Vertragsstrafe von 5001 Euro.

Ziel der Abmachung war, die verlinkten Angebote im Google-Index weiter nach vorne zu bringen. Pallenberg hat die Vertragsunterlagen und die Liste der Kunden (XLS) veröffentlicht, auf der sich Neckermann Reisen, Thomas Cook, HRS, Condor, Conrad, Base soiwie Versicherer, Finanzdienstleister, Modeläden, Buchhändler und Autovermieter finden. Auch Angebote von Onlinekosten.de wurden auf diese Weise beworben.

Christoph Berger bestätigte gegenüber heise online die Echtheit des von Pallenberg veröffentlichten [Korrektur: Dokumente Vertrags]. Allerdings verwahrt er sich gegen den Begriff der Schleichwerbung: "Der einzige Zweck der Zusammenarbeit ist (...) das Linkbuilding für bestimmte Keywords der Kunden" – also Suchmaschinenoptimierung, keine Schleichwerbung. Anders als bei Werbung hätten sich die Auftraggeber niemals für "komplette Beiträge oder sonstige spezielle verkaufsfördernde Maßnahmen sowie die Anzahl der Klicks auf die Links" interessiert. Die Blogger seien in der Gestaltung ihrer Posts völlig frei gewesen, was auch aus dem von Pallenberg veröffentlichten Kooperationsvertrag hervorgeht. Im übrigen liege die Anzahl der beteiligten Blogs deutlich unter hundert.

Aller Geheimhaltung zum Trotz sind solche Kooperationen im Gegensatz zu Schleichwerbung [Update: möglicherweise] legal. So sieht auch der bloggende Anwalt Markus Kompa nichts Illegales daran, fasst seine Wertschätzung für die beteiligten Blogger aber in dem Begriff "PR-Huren" zusammen. Außer von Google erwischt zu werden, riskieren die Beteiligten nichts – sieht man davon ab, dass sie das Vertrauen ihrer Leser verspielen.

[Update:] Googles oberster Suchmaschinenspam-Bekämpfer Matt Cutts hat bereits seine Fühler ausgestreckt. Markus Kompa ist sich mit seiner ursprünglichen rechtlichen Einschätzung nicht mehr sicher und will nicht ausschließen, dass solche Kooperationen als unlauterer Wettbewerb abgestraft werden können. [/Update]

Interessanter als Pallenbergs Enthüllung sind vielleicht die Reaktionen darauf. So machen sich Blogger und Vermarkter in Kommentaren oder auf einer eigens erstellten Website über seine Empörung lustig. Die SEO-Experten von Sistrix stellen solche Praktiken als alltäglich dar und verweisen darauf, dass Pallenberg selbst unter Bloggern, die über sein Gewinnspiel berichten, Netbooks und Zubehör verlost. Und auch Christoph Berger sieht Pallenberg nicht als objektive Partei: "Ich erachte die Geschichte ganz klar als eine Kampagne von Herrn Pallenberg gegen unser Blog Basic Thinking", kommentiert er die Debatte. Pallenberg selbst spricht von einem "Shitstorm", der über ihn hinweggehe. (heb)