Tron:Legacy – Tyrannei im Quellcode
Seit gestern läuft in den deutschen Kinos der Film Tron: Legacy, Nachfolger von Tron, der im Jahr 1982 über die Leinwand lief und unter Techies schnell zum Kultfilm avancierte. TR-Redakteur Gordon Bolduan wollte den Start des zweiten Teils standesgemäß zelebrieren. Doch einen Tag später ist er ernüchtert.
- Gordon Bolduan
Die Vorfeiern begannen am Montag dieser Woche um 19 Uhr. Eine Handvoll von ct-Redakteuren und meine Wenigkeit fanden sich zusammen, um Walt Disneys Meisterwerk „Tron“ zu huldigen. Dass der vor 29 Jahren produzierte Film dabei nur mit einem Projektor auf eine weißgestrichene Wand projiziert wurde, tat dem Charme und der Faszination der Bilder keinen Abbruch – ganz im Gegenteil.
Tron ist die Geschichte vom Sturz einer Diktatur. Doch nicht Menschen sind hier die Opfer, sondern Computerprogramme, die (dargestellt von Personen) unter der Geißel des „Master Control Program“ (MCP) im virtuellen Raum eines Großrechners rackern und rechnen müssen. Verlassen sie ihre vorgeschriebenen Routinen, droht ihnen der Energieentzug und noch schlimmer, das Löschen. Das alles ändert sich, als der Programmierer Kevin Flynn (dargestellt von Jeff Bridges) per Laser digitalisiert und in die Programmwelt hineingezogen wird. Zusammen mit dem Überwachungsprogramm TRON, eine Art digitaler Spartakus, kämpft er gegen den Tyrannen MCP und für die Freiheit der Rechensklaven.
Da dieses Märchen sowieso in der Welt der Bits und Bytes spielt, fiel es den Machern leicht erstmals vom Computer generierte Szenen einzusetzen. In Kombination mit der sogenannten Backlit Animation ziehen die so entstanden Sequenzen mich auch noch nach zwanzig Jahren in den Bann. Stelleweise wirken sie auf mich wie kunstvolle Collagen und angereichert mit witzigen Dialogen wird Tron zu einem genussvollen Schmunzel-Film.
Von seinem Nachfolger Tron: Legacy kann ich das allerdings nicht behaupten.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht diesmal Sam Flynn, der Sohn des Kevin Flynn, dargestellt von Garret Hedlund, bekannt aus „Troja“ und „Vier Brüder“. Im Film ist er 27 Jahre alt und mutmaßlicher Vollwaise, denn seine Mutter ist verstorben, sein Vater Kevin Flynn, inzwischen Chef des millionenschweren Software-Konzerns EMCOM, gilt seit Jahren als spurlos verschwunden. Doch dann tauchen neue Spuren auf. Als Sam diesen folgt, wir auch er in das „Raster“ hineingezogen, eine digitale Welt, die sein Vater einst mit Hilfe der Programm-Personen TRON und CLU (Codierte Lebensuntereinheit) schuf und die ihn nun gefangen hält. Denn CLU putschte ihn vom Programmierer-Thron und versucht nun als eine Art digitaler Hitler das vollkommene System zu erschaffen. Dabei schreckt er weder davor zurück massenweise aus Code-Chaos entstandene, künstliche Programme zu eliminieren, noch die Eroberung der realen Welt außerhalb des Rasters vorzubereiten. Doch zu letzterem benötigt er Kevin Flynn. Der versteckt sich jedoch am Rande des Rasters. Erst als Kevins Sohn Sam in der virtuellen Welt erscheint und in Gefahr gerät, verwandelt er sich vom Code-Gandhi zurück in den rebellischen Programmierer.
Was folgt, sind spektakuläre Verfolgungsjagden auf dem Raster und atemraubende Kampfszenen, die aber irgendwie an bereits gesehene Szenen aus „Krieg der Sterne“, „Spiderman 2“ oder „Herr der Ringe“ erinnern.
Natürlich ist die grafische Umsetzung des Rasters atemraubend, natürlich kann der alte Tron-Film da nicht mithalten. Schließlich ist die Animation auf dem Stand heutiger Technik und durch die Möglichkeiten des 3D-Kinos noch eindrucksvoller. Und das Design der virtuellen Welt stammt von Joseph Kosinski, der für seine Videoclips zum Computerspiel „Halo3“ gefeiert wurde. Bei den futuristischen Vehikeln, wie dem schnittigen Lightcycle (das reale Pendant dazu finden Sie in der aktuellen Ausgabe von Technology Review) unterstützte ihn Kult-Auto-Designers Daniel Simon. Regelrecht mitreißend ist auch der Soundtrack von den Electronic-Musik-Ikonen Daft Punk. Bei einer Party-Szene war ich regelrecht versucht, mich aus dem Kinosessel zu wuchten und mitzutanzen.
Aber all das reicht noch nicht fĂĽr einen herausragenden Film. So bietet Tron:Legacy zwar einen packenden und beinahe hypnotisierenden Trip in eine digitale Abenteuerwelt, ist aber eben doch nur Kommerz, der frĂĽhere Tron dagegen Kunst und Kult. Aber wer weiĂź. Vielleicht lachen wir in zwanzig Jahren genauso ĂĽber die Darstellung von digitaler DNA und genetischen Algorithmen wie meine verehrten ct-Kollegen und ich ĂĽber die Darstellung eines Bits in Tron. (wst)