Makromarkt zieht Verkaufsaktion trotz einstweiliger Verfügung durch

Die Makromarkt-Kette hat heute eine Verkaufsaktion, bei der jeder 13. Träger einer Dieter-Bohlen-Maske seinen Einkauf geschenkt bekam, trotz gerichtlichen Verbots durchgezogen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 429 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ulrich Schmitz

Eine Aufsehen erregende Verkaufsaktion der Makromarkt-Kette am heutigen Samstag sollte den Abschied vom bisherigen Werbetestimonial Dieter Bohlen feiern -- und zugleich viele Neugierige in die Filialen locken: Jeder dreizehnte Kunde, der mit einer Bohlen-Papiermaske an der Kasse eines Makromarkts auftauchte, bekam seinen Einkauf in voller Höhe erstattet. Die Masken lagen in den Märkten aus; Findige konnten das Konterfei des Musikproduzenten auch aus den ganzseitigen Zeitungsanzeigen ausschneiden.

Das elektronische System, das unter den Maskenträgern die Gratiskäufer ermittelte, ließ sich nicht etwa durch Mitzählen vor der Kasse oder durch andere Tricks aushebeln. Die Anlockung bestand theoretisch für jeden, vielleicht umsonst wegzukommen. So lag es nahe, jedenfalls heute so viel zu kaufen, wie man es unter ungünstigen Umständen als Selbstzahler so gerade eben noch rechtfertigen könnte -- denn ein teurer Einkauf würde im Zweifelsfall mehr Ersparnis bringen.

Die Aktion wurde intensiv durch Fernseh- und Zeitungswerbung unterstützt -- sehr zum Missfallen des Mitbewerbers Media Markt. Wie der Kölner Express und andere Medien heute berichteten, erwirkte dieser beim Landgericht Hamburg im Verlauf des gestrigen Freitag eine einstweilige Verfügung. Diese verbot der Makromarkt-Kette nicht nur die Aktion als solche, sondern auch die Werbung dafür. Im Falle der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise zwei Jahre Ordnungshaft für die Verantwortlichen.

Trotz der einstweiligen Verfügung wurde die Aktion heute durchgeführt. Michael Wegert von Makromarkt: "Die Aktion ist von unseren Kunden sagenhaft gut angenommen worden. Im Einzelfall nahm es jedoch schon komische Züge an, mit welchen Einfällen und welcher Energie manche alles daran setzten, die Glücksnummer 13 zu werden."

Heute 14 Uhr in Hannover. Vereinzelt kommen maskierte Kunden aus dem Makromarkt an der Vahrenwalder Straße. Einige stehen etwas abseits der Kasse und üben sich im Zählen -- man will dem Glück etwas auf die Sprünge helfen und versuchen, den richtigen Augenblick abzupassen, um dann als Nummer 13 an die Kasse zu gelangen. Dabei ist tatsächlich ein Zufallsgenerator an den Kassen für die Auswahl zuständig. Nur im statistischen Mittel trifft es jeden Dreizehnten. Eine Sirene an der Kasse gibt unüberhörbar ein Zeichen, wenn wieder mal jemand Glück hat.

Wie der Security-Angestellte, der die Aktion überwacht, erklärt, ist speziell diese Filiale sehr großzügig gewesen, was den Umfang des Warengeschenks angeht. "Heute morgen hat jemand etwas umgetauscht und war damit Nummer 13. Der Kunde musste nicht nur kein Geld für seine neue Ware, sondern auch nichts für den gestern gekauften Umtauschartikel bezahlen -- insgesamt 1800 Euro." Von der einstweiligen Verfügung, die gegen die Aktion erwirkt wurde, scheint hier niemand etwas zu wissen. Am Eingang werben mehrere Plakate unmissverständlich für die Bohlen-Aktion, und die Masken liegen unübersehbar griffbereit für jeden Kunden zentral im Warenbereich vor den Kassen.

Die Makromarkt-Zentrale hatte zuvor bekannt gegeben, man wolle die Zusammenarbeit mit Bohlen vorzeitig beenden. Das Ziel der Bohlen-Kampagne, die nicht immer geschmackssichere Fernsehspots und Dauerpräsenz des Musikproduzenten in Makromarkt-Werbeveröffentlichungen umfasste, sei erreicht -- so das Unternehmen. In einem neuen Werbespot verkündeten nun die Werber, man "spare sich" Dieter ab sofort ebenso wie andere teure Dinge wie Mitarbeiter-Heißgetränke und Reiningungsdienste. Die heutige Masken-Aktion war dadurch als eine Art feierlicher Abschied deklariert.

Vor kurzem hatten die Mitbewerber ebenfalls mit einer Gratis-Aktion auf sich aufmerksam gemacht, wenn auch nicht so spektakulär und mit stärkerem Wettcharakter: Wer am 1. Juni in Media-Märkten ein Fernsehgerät kaufte, sollte den Kaufpreis erstattet bekommen, falls die deutsche Nationalmannschaft Fußballeuropameister geworden wäre. Daraufhin hatte der Hamburger Verein für lauteren Wettbewerb eine einstweilige Verfügung gegen drei Media-Märkte in der Hansestadt erwirkt.

Aktionen dieser Art zeigen, wie es um die Situation beim Einzelhandel in der Elektronikbranche bestellt zu sein scheint: Offenbar lassen sich die Umsätze ohne Aktionen am äußersten Rande der Legalität kaum noch steigern. heise online hat den hannoverschen Rechtsanwalt Kai Mielke zu der "Danke, Dieter"-Aktion befragt und ob sie für die Makromarkt-Betreiber möglicherweise im Nachhinein zum Bumerang werden könnte.

heise online: Die Media-Markt-Kette hat anscheinend beim Landgericht Hamburg gestern eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es der Makromarkt-Kette verbietet, ihre Maskenaktion durchzuführen. Wie man hört, hat das heute zumindest in Berlin und Hannover die Marktbetreiber unbeeindruckt gelassen. Die Makromarkt-Zentrale verweist auf die Eigenverantwortlichkeit der Marktbetreiber vor Ort. Was kann diesen drohen?

Kai Mielke: Gehen wir mal davon aus, dass tatsächlich sowohl die Zentrale als auch die einzelnen Märkte für die Durchführung der Aktion verantwortlich sind. Diesen droht bei der Zuwiderhandlung gegen die EV zunächst einmal, dass das angedrohte Ordnungsgeld vollstreckt wird -- es fließt übrigens grundsätzlich der Staatskasse zu. Bei umsatzträchtigen Werbeaktionen wie der, um die es hier geht, ist das natürlich ein nahezu lächerlicher Betrag, der von den Verantwortlichen mit Sicherheit schon einkalkuliert wurde. Die Androhung bzw. Festsetzung eines höheren Ordnungsgelds als 250.000 Euro ist nach § 890 der Zivilprozessordnung allerdings nicht möglich. Unabhängig von dem Ordnungsgeld drohen der Makromarkt-Kette noch Schadensersatzansprüche seitens unlauter übervorteilter Mitbewerber nach § 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Der Schadensersatz bemisst sich nach den durch die Aktion verursachten Gewinneinbußen bei dem jeweiligen Mitbewerber -- die im Einzelfall allerdings nur schwer zu beziffern sein dürften.

Einigermaßen durchschlagend könnte sich die neue, im Zuge der diesjährigen UWG-Reform eingefügte Gewinnabschöpfungsvorschrift des § 10 UWG auswirken. Nach dieser Regelung kann derjenige, der den Wettbewerb unlauter beeinträchtigt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, auf Herausgabe des Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden. Dieser Gewinnabschöpfungsanspruch läst sich allerdings nicht von einem Mitbewerber geltend machen. Vielmehr sind dazu nur bestimmte, in § 8 UWG aufgelistete Stellen wie etwa rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen sowie Industrie-, Handels- und Handwerkskammern befugt.

heise online: Das Verbot in der EV umfasst nicht nur die Aktion selbst, sondern auch die Werbung dafür. Diese ist ja zumindest im Fernsehen wohl auf jeden Fall von der Unternehmenszentrale ausgegangen und bis gestern Nacht noch fleißig gesendet worden. Wie schnell muss denn jemand auf eine EV reagieren und bereits gebuchte Werbemaßnahmen stoppen, wenn das Ziel einer solchen verbotenen Werbung bereits am folgenden Tag stattfindet?

Kai Mielke: Nach Zustellung einer EV muss der durch sie Verpflichtete unverzüglich handeln. Das heißt: Alles, was noch zu stoppen ist, muss von dem Verpflichteten auch sofort gestoppt werden.

heise online: Es läge es doch nahe, Werbeaktionen darauf anzulegen, dass Mitbewerber sie per EV stoppen. Dann ist ja der Löwenanteil der Werbung ohnehin schon gelaufen. Leute kommen dann in der Hoffnung, etwas geschenkt zu kriegen, und dann werden sie auf das Sortiment aufmerksam gemacht. Das ist hier zwar offenbar nicht passiert, aber würde die Rechtslage nicht einem solchen Vorgehen Tür und Tor öffnen?

Kai Mielke: Zum Teil ist da sicherlich was dran. Die aus so einem Vorgehen resultierenden Vorteile für den unlauteren Wettbewerber beziehungsweise die Nachteile für die Konkurrenz können aber -- jedenfalls theoretisch -- durch Schadensersatzansprüche und die neuen Möglichkeit der Gewinnabschöpfung kompensiert werden. Vor allem im Hinblick auf die Frage, ob eine solche Aktion von einer befugten Stelle zum Anlass genommen wird, die Abschöpfung des dadurch erzielten Gewinns zu betreiben, bleibt die Sache spannend. Denn von dem Erfolg eines solchen Unterfangens wird mit Sicherheit auch abhängen, ob und inwieweit wir auch in Zukunft Zeuge solcher -- zumindest juristisch gesehen -- unverfrorenen Kampagnen werden können. (Ulrich Schmitz) / (anw)