LG München attestiert "Domain-Engel" sittenwidriges Grabbing

Indem sich der Internet-Dienstleister Mario Dolzer versehentlich frei gewordene Domains unter den Nagel reißt, handelt er laut einem Urteil des Landgerichts München vorsätzlich sittenwidrig.

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Von
  • Holger Bleich

Der Münchener Internet-Dienstleister Mario Dolzer respektive dessen Service "Domain-Engel" hat eine weitere juristische Schlappe hinnehmen müssen. In einem am 4. April verkündeten Urteil (Az. 33 O 15828/05) attestiert ihm das Landgericht München I diesbezüglich wettbewerbs- und sittenwidriges Verhalten. Indem Dolzer nach versehentlich freigegebenen Domains suche und diese dann "im wahrsten Sinne des Wortes" abgreife, übe er sich im "besonders dreisten [...] Domaingrabbing".

Im konkreten Fall hatte das freie Werkstatt-Theater Köln am 6. Juni 2005 versehentlich seine Domain freigegeben. Kurze Zeit später war der Internet-Name auf Dolzer registriert, der zunächst die Meldung "Diese Domain steht zum Verkauf frei!" einblendete. Laut Gericht wurden Webseiten-Besucher später nach den Zufallsprinzip auf unterschiedliche kostenpflichtige Seiten umgeleitet, die teilweise pornographischen Inhalts waren. Das Theater schaltete einen Anwalt ein und verlangte per kostenpflichtiger Abmahnung die Domain zurück. Dolzer gab zwar die entsprechende Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber die Zahlung der Anwaltsgebühren. Daraufhin forderte das Theater per Hauptsacheklage die ausstehende Summe. Das Gericht verurteilte Dolzer nun zur Zahlung des Betrags.

Das Theater habe zwar keine markenrechtlichen Ansprüche zur alleinigen Nutzung der Domain, allerdings sei das verwendete Akronym "FWT Köln" ein in sechs Jahren gewachsenes und damit schützenswertes Unternehmenskennzeichen. Dolzers Vorgehensweise verfolge zudem "einzig und allein das Ziel, eine bereits benutzte und aus Sicht des Beklagten hoffentlich gut eingeführte Domain unter Missachtung jeglicher schutzwürdiger und berechtigter Interessen des vormaligen Domaininhabers an seinem Namen und vor allem seinem guten Ruf für eigene kommerzielle Zwecke zu nutzen und dabei auch nicht davor zurückzuschrecken, über eine so erlangte Seite pornografische Inhalte ins Netz zu stellen". Dolzers Verhalten liege klar auf der Hand und sei daher als vorsätzlich zu werten.

Der Rechtsanwalt des Theaters hatte seiner Klage in großem Umfang Presseberichte zu den Aktivitäten Dolzers beigelegt. Die Sichtung der Artikel führte die Kammer zur Aussage, dass "es sich bei dem vorliegenden Fall lediglich um eine Facette einer Verhaltensweise des Beklagten handelt, die – zurückhaltend formuliert – höchst befremdlich anmutet". Dolzer müsse die Abmahngebühren in voller Höhe plus Zinsen auch deshalb begleichen, weil er "die Folgen seines rechtswidrigen und sittenwidrigen Verhaltens spüren soll."

In einem ähnlich gelagerten Fall wies dieselbe Kammer jüngst den Widerspruch Dolzers gegen eine Einstweilige Verfügung ab. In der mittlerweile vorliegenden schriftlichen Begründung erkannte sie ihm eine "vorsätzliche sittenwidrige Schädigungsabsicht" zu. Dem Argument Dolzers, er sichere versehentlich frei werdende Domains zum Wohle des ehemaligen Inhabers quasi in "Geschäftsführung ohne Auftrag", folgte die Kammer nicht, denn im konkreten Fall widerspreche diese Übernahme ganz offensichtlich dessen Willen. (hob)