Studie: Wirtschaftliche Folgen von Raubkopien unterschätzt

Die Internationale Handelskammer (ICC) beziffert den Gesamtumfang der "Schattenwirtschaft" mit Fälschungen und "Raubkopien" in den G20-Ländern auf insgesamt 650 Milliarden US-Dollar und warnt davor, den Anteil digitaler "Piraterie" zu unterschätzen.

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Von
  • Monika Ermert

In einer neuen Studie (PDF-Datei) beziffert die Internationale Handelskammer (ICC) den Gesamtumfang der "Schattenwirtschaft" mit Fälschungen und Raubkopien in den G20-Ländern auf insgesamt 650 Milliarden US-Dollar. Die Wirtschaftsorganisation warnt, dass die Auswirkungen der "Piraterie" noch unterschätzt werde, sie schlage mit 30 bis 75 Milliarden US-Dollar zu Buche. Dazu kämen noch negative gesamtwirtschaftliche Effekte von rund 125 Milliarden, darunter etwa Steuerausfälle, höhere Strafverfolgungskosten oder der Ausfall von Investitionen aus dem Ausland. Überdies würden mehr als 2,5 Millionen Jobs verloren gehen.

Die von der ICC-Abteilung "Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy" (BASCAP) verantwortete Studie wurde auf dem unter anderem von der World Intellectual Property Organisation (WIPO) organisierten Kongress zur Bekämpfung von Fälschungen und Piraterie in dieser Woche in Paris vorgestellt. Mit den Zahlen will die ICC nach eigenen Angaben Berechnungen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf den aktuellen Stand bringen und Lücken in der OECD-Studie schließen. Die OECD hatte sich bei ihren Schätzungen bislang auf Zahlen aus dem internationalen Handel mit gefälschten Gütern konzentriert und den Binnenhandel sowie digitale Raubkopien außen vor gelassen.

Wie gut die neuen Schätzungen tatsächlich sind, lässt sich schwer überprüfen. Die OECD hatte nicht ohne Grund auf Schätzungen zum Binnenmarkt und zu digitalen Raubkopien verzichtet, weil Daten dazu schwer zu ermitteln sind. Bei der Berechnung des Markts für digitale Raubkopien hatte die BASCAP-Studie auf eine eigene Methode verzichtet und im wesentlichen auf Zahlen der Verbände der Musikindustrie (RIAA, IFPI), der Filmwirtschaft (MPAA) und der Business Software Alliance (BSA) ausgewertet. Die Qualität der von den Branchenverbänden vorgelegten Zahlen hatte allerdings der US-amerikanische Rechnungshof im vergangenen Jahr rundweg bezweifelt und deren weitere Verbreitung durch Behörden untersagt.

WIPO-Chefökonom Carsten Fink hatte bei der Tagung in Paris erneut bessere Zahlen angemahnt und darauf hingewiesen, dass ökonomische Effekte je nach Branche stark differieren. Die große Verbreitung gefälschter Medikamente in Afrika stehe nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Finanzschwäche der dortigen Regierungen. Jeffrey Hardy, Koordinator von BASCAP, räumte laut dem Fachblatt Intellectual Property Watch den Bedarf nach besseren Zahlen ein. Explizit verzichtet hatte die Handelskammer in der Studie darauf, die genannten Zahlen mit Verlusten der Industrie gleichzusetzen. Angesichts der Komplexität von Substitutionsprozessen ließen sich dazu keine exakten Aussagen machen, heißt es in der Studie. (vbr)