US-Handelsministerium lädt zur Zensur ein

Das US-Handelsministerium lädt Regierungen aus aller Welt praktisch zur Zensur des Domain Name Systems (DNS) ein.

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  • Monika Ermert

Das US-Handelsministerium lädt Regierungen aus aller Welt praktisch zur Zensur des Domain Name Systems (DNS) ein. Künftige Anträge auf die Zulassung einer neuen Top Level Domain sollen nach dem Willen (PDF-Dokument) der Behörde, die nach wie vor die Aufsicht über Veränderungen in der zentralen Rootzone innehat, zuerst vom Regierungsbeirat (GAC) der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) begutachtet werden. Geht es nach dem US-Handelsministerium kann "jedes GAC-Mitglied wegen beliebiger Gründe einen Widerspruch gegen einen Namen einlegen." Das könnte das Ende für Bewerbungen wie .gay oder .freetibet sein.

Die Vorschläge des Handelsministeriums markieren die Position, die die US-Regierung beim bevorstehenden Treffen zwischen dem Vorstand der ICANN und dem GAC in Brüssel Ende des Monats vertreten möchte. Seit Jahren arbeitet die inzwischen nicht mehr direkt unter dem Einfluss des Handelsministeriums stehende ICANN an einem regulären Zulassungsverfahren für neue Top Level Domains. Bewerber wie .berlin warten seit über fünf Jahren auf die versprochene Öffnung des Namensraums.

Beim Treffen der ICANN in Cartagena Ende vergangenen Jahres hatten mehrere Regierungen Nachbesserungen am praktisch finalen Zulassungsverfahren gefordert. Der deutsche Regierungsvertreter hatte eine Gleichbehandlung von Marken verschiedener Jurisdiktionen angemahnt und vor hohen Streitgebühren etwa für Städte gewarnt, die gegen TLD-Grabber vorgehen müssten.

Das US-Handelsministerum greift diese Bedenken in seinen Vorschlägen auf. Es fordert unter anderem, dass Regierungen abgesehen vom Vetorecht vorab auch im Bereich der so genannten Community-Bewerbungen kostenlos Einspruch gegen Bewerber erheben können. Community-Bewerbungen, ursprünglich gedacht für Sprach- oder Kulturgemeinschaften soll nach dem Willen der USA nun auch Branchen, etwa .bank oder .music erfassen. Regierungen könnten sich damit zum Beispiel hinter den Einspruch der Musikindustrie gegen eine .music stellen.

Generell will das US-Handelsministerium Rechteinhabern weiter entgegenkommen, etwa damit, dass diese auch ihrer Marke nur ähnliche Begriffe schützen können. Im schlimmsten Fall werde dies zu Tausenden von geschützten Begriffen für eine einzige Marke führen, warnte Philip Corwin, Anwalt der Internet Commerce Association (ICA). Corwin kritisierte auch die Verpflichtung, dass der Verlierer der künftig grundsätzlich als Schnellverfahren abgewickelten Schiedssprüche die Kosten zu übernehmen hätten. Kleine Unternehmen würden damit benachteiligt, warnte Corwin. Würde der GAC die US-Position in dieser Schärfe vertreten und der ICANN-Vorstand klein bei geben, würden wohl viele Bewerbungen gar nicht mehr antreten müssen. Überdies, so Corwins Warnung, wäre es auch das Aus für ICANN als Selbstregulierungsmodell.

ICANN-Kenner Milton Mueller, Professor an der Universität Syracuse, der die Vorschlage des Handelsministeriums im Volltext veröffentlicht hat, geht noch härter mit seiner Regierung ins Gericht. Diese habe immer versichert, ihre privilegierte Rolle über ICANN und Rootzone werde staatliche Kontrolle und lähmende administrativen Verfahren für das DNS verhindern. "Wären nicht die meisten Amerikaner sehr überrascht, wenn sie erführen, dass das Handelsministerium jetzt den GAC benutzt, um jeder Regierung der Welt ein Vetorecht darüber einzuräumen, welche Art von neuen Seiten es geben soll im Web?," fragte Mueller sarkastisch. Die USA habe sich zum Welt-besten Anwalt für eine staatliche Kontrolle des Netzes gemausert. (jo)