Präventive Telefonüberwachung verstößt gegen Grundgesetz [Update]

Das Bundesverfassungsgericht kippte Niedersachsens Sicherheitsgesetz, nach dem die Polizei ohne konkreten Tatverdacht Telefone abhören durfte.

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Von
  • Jürgen Kuri

Das Bundesverfassungsgericht entschied heute, dass Niedersachsens Sicherheitsgesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Laut dem Sicherheitsgesetz sollte die Polizei die Möglichkeit erhalten, ohne konkreten Tatverdacht Telefone abzuhören. Die vorbeugende Telefonüberwachung ist nach der Entscheidung des Gerichts (Az.: 1 BvR 668/04) nur noch unter strengen Auflagen möglich.

Zur Begründung führten die Richter an, dass die in Niedersachsen vorgesehenen Bestimmungen unverhältnismäßig in das Fernmeldgeheimnis eingegriffen hätten. Zudem sei die polizeiliche Ermächtigung unbestimmt und es fehlten Vorkehrungen, dass Gespräche im Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht abgehört beziehungsweise unmittelbar gelöscht werden. Außerdem habe Niedersachsen in die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes eingegriffen, da mit der Telefonüberwachung auch Strafverfolgung bezweckt werde. Nach dem Karlsruher Urteil ist ein präventive Telefonüberwachung nur dann legal, wenn ein konkreter Hinweis auf die Vorbereitung oder Planung einer Straftat vorliegt.

Ein Oldenburger Richter hatte Verfassungsbeschwerde gegen die Ende 2003 in Kraft getretene Abhörmöglichkeit eingelegt. Er sieht darin eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses, weil auch unbescholtene Bürger überwacht werden dürften. Nach der Vorschrift hätte Niedersachsens Polizei auch ohne konkreten Tatverdacht Telefongespräche abhören sowie Verbindungsdaten, Standortkennungen von Handys, E-Mail- und SMS-Verkehr auswerten dürfen. Nach der Karlsruher Entscheidung ist eine präventive Telefonüberwachung allerdings nicht ganz unmöglich -- es muss allerdings unter anderem ein konkreter Verdacht auf Planung einer Straftat vorliegen.

[Update]:
Die Entscheidung bewege sich "im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit", erklärte Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, bei Verkündung des Urteils. Es gebe keine Freiheit, wenn nicht auch Sicherheit herrsche. "Aber Sicherheitsgesetze, die staatliche Eingriffe erlauben, beschränken zugleich die Freiheit und können die Bürger im Extremfall eher verunsichern." (jk)