Der Software-Journalist

Wie gut können Maschinen Medienarbeiter ersetzen? Ein Versuch von Forschern an der Carnegie Mellon University soll es ans Tageslicht bringen.

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Von
  • Christopher Mims

Wie gut können Maschinen Medienarbeiter ersetzen? Ein Versuch von Forschern an der Carnegie Mellon University soll es ans Tageslicht bringen.

Der Name ist Programm: "My Boss is a Robot" lautet der Titel eines Experiments, bei dem Informatiker derzeit zusammen mit Journalisten versuchen, ein Stück Software mit der Arbeitsleistung Hunderter Online-Billigkräfte beim Amazon-Web-Dienst Mechanical Turk zu verknüpfen.

Ziel ist es, mehr oder weniger gut lesbaren Presseartikel populärwissenschaftlicher Natur zu generieren. Hinter dem durchaus ernst gemeinten Vorhaben stecken Niki Kittur, Juniorprofessor für Mensch-Computer-Interaktion an der Carnegie Mellon University, sowie die beiden freien Technikjournalisten Jim Giles und MacGregor Campbell.

Inspiriert wurde "My Boss is a Robot" von einem Projekt, bei dem Mechanical Turk bereits zum Verfassen einfacherer enzyklopädischer Artikel über die Stadt New York verwendet wurde. Der komplette Prozess wurde dabei mittels Software kontrolliert, der Mensch blieb außen vor. Der Algorithmus fragte die "Turkers" sogar, welche Themenbereiche abgedeckt werden sollten und gab dann die Faktenprüfung an diejenigen Nutzer ab, die sich als besonders kenntnisreich (laut Software) erwiesen hatten.

Basierend auf diesem Erfolg erschien es dem Carnegie-Mellon-Team nur logisch, dass es der kostengünstigen Internet-Rekrutierungsplattform auch gelingen müsste, aus einem wissenschaftlichen Paper ein 500 Wörter langes Stück originären Wissenschaftsjournalismus zu machen. Zwar räumen die beiden Profis Giles und Campbell ein, dass es "Millionen Gründe dafür gibt, dass das nicht klappt". Doch sei schon allein die Übung geeignet, viel über das Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu lernen.

Tatsächlich laufen ähnliche Projekte schon länger im kommerziellen Rahmen. Der Online-Riese AOL lagert über seine "Seed"-Plattform das Bestücken von Weblogs und anderen Inhalteplattformen aus, während Demand Media, kürzlich an die Börse gegangen, aus ebenfalls per Internet erstellten Billiginhalten ein millionenschweres Geschäftsmodell aufgebaut hat. Besonders gut funktioniert das allerdings nicht immer. Da wird dann beispielsweise ein Auftrag an so viele "bionische Journalisten" (wie AOL seinen Ansatz getauft hat) verteilt, dass Interviewpartner mit Anfragen von Menschen überschwemmt werden, die sich um 10 oder 20 Dollar pro Text balgen.

Andere Outsourcing-Dienste wie Mechanical Turk und seine Konkurrenten, die etwas weniger Kreativität verlangen, funktionieren dagegen bereits erstaunlich gut – der Audio- und Video-Transkribierungsdienst CastingWords rühmt sich beispielsweise seiner geringen Fehlerquote.

Das Start-up CloudCrowd arbeitet sogar an einer kommerziellen Version von "My Boss is a Robot". Über den Dienst Servio verspricht die Firma, Unternehmen das leidige Verfassen von Blog-Einträgen abzunehmen, die dann "frisch, handgeschrieben und genau auf das gewünschte Themengebiet abgestimmt" sein sollen.

Das Experiment "My Boss is a Robot" hat indes erst begonnen. Die Frage, die die Experimentatoren beantworten wollen, ist dabei nicht, ob es genügend Menschen in den Entwicklungsländern gibt, die die englische Sprache beherrschen und billiger arbeiten, als das Profis würden. Stattdessen geht es um den Prozess der Textarbeit an sich – und die Idee, ob sich dieser Vorgang so stark zerlegen lässt, dass er durch eine Reihe kleiner, einzelner Schritte ersetzt werden kann, die wenig fehleranfällig sind. Und zwar so wenig fehleranfällig, dass sie auch eine Maschine managen kann. Funktioniert es hier, könnte man die Technik auch auf andere einstige "geistige" Arbeit übertragen.

Liegen die Experimentatoren richtig, stünde der Welt womöglich mehr bevor als nur das Outsourcing ganzer Call-Center in Billiglohnländer. Selbst kleinste Aufgaben könnte man dann an Kollege Computer (und Kollege Billigarbeiter) abgeben, vom Aufsetzen eines geschäftlichen Memos bis zum Bau einer komplexen Tabelle. Ganz so weit, das räumt auch das Carnegie-Mellon-Team ein, sind wir dann aber doch noch nicht. (bsc)