Simpler geht es nicht

Der japanische Mobilnetzbetreiber Softbank will ein Einknopfhandy mit Mini-Display auf den Markt bringen. Die Zielgruppen sind Kinder und Greise. Es ist ein Meilenstein auf dem Weg in die Paranoia-Gesellschaft.

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Von
  • Martin Kölling

Der japanische Mobilnetzbetreiber Softbank will ein Einknopfhandy mit Mini-Display auf den Markt bringen. Die Zielgruppen sind Kinder und Greise. Es ist ein Meilenstein auf dem Weg in die Paranoia-Gesellschaft.

Es gibt immer mal wieder Entwicklungen, die verblüffend einleuchtend sind. Mein jüngstes Beispiel ist das "Mimamori-Handy" von Japans Mobilnetzbetreiber Softbank, das nur einen Knopf und ein Mini-Display hat. Nein, liebe Leser, der simple Knopf dient nicht zum Morsen der Telefonnummer oder einer Mail. Das wäre mal ein innovatives Bedienkonzept. Er dient – es ist schwer zu definieren – zum Herstellen einer Verbindung, denn wählen im eigentlichen Sinn kann das Gerät nicht. Sein Kommunikationsverhalten ist lediglich auf paranoid-parentalen Kontrollreflexe abgestimmt.

So verbindet es auf Knopfdruck nur mit einer voreingestellten Nummer. Denn mit dem super simplen Handy sollen entweder Eltern ihre kleinen Kinder oder Kinder ihre alternden Eltern überwachen können. Überwachen, was für ein negatives Wort. Mit ihnen im Notfall kommunizieren zu können ist vielleicht die elegantere, wenn auch ein wenig euphemistische Formulierung. Denn mit dem Knopfdruck erhalten die Eltern nicht nur einen Anruf, sondern gleichzeitig eine Mail mit den GPS-Daten ihres Schützlings.

Damit nicht genug. Zieht der Träger am Handy oder an der Strippe, an der es gut erreichbar für den Träger an seiner Kleidung befestigt werden kann, erschrillt ein Alarmton, der eventuelle Angreifer abschrecken und Helfer anlocken soll. Zudem erhalten die sich berechtigt sorgenden Sorgeberechtigten eine Mail mit den Positionsdaten ihres Sorgenfalls und der Nachricht "Alarm". Und als Sahnehäubchen verwandelt eine Wanzenfunktion das Telefon endgültig in ein Überwachungsgerät. So nimmt das Handy beim Anruf von einer der Kontaktnummern automatisch ab. Die Anrufer können dann mithören, was in der Umgebung des Handyträgers passiert. Kein Wunder, dass Japans PTA (Parent Teacher Association) dieses Gerät wärmstens empfiehlt.

Wunderbar, mögen vom Beschützerinstinkt geleitete Weltenbürger denken: Das Handy verschafft Sicherheit. In gewisser Weise habe ich dafür sogar Verständnis. Allerdings graut mir vor der ewigen Kontrolle, die durch so ein System in unser Leben Einzug hält. Man stelle sich vor, überbeschützende Eltern haben auf einmal die Möglichkeit, jederzeit ihre Lieben anzufunken, auf dem Klo, in der Klasse, beim heimlichen Rauchen, Trinken oder Küssen. Wo bleibt da bitte der Schutz der Privatsphäre?! Und mehr noch, was für eine Generation wächst da nur heran? Eine Generation "Schere-im-Kopf", die sich bestimmte Sachen nicht zu tun getraut, weil sie jederzeit dabei ertappt werden könnte? Die die Privatsphäre bereitwilliger als wir heute schon gegen Bequemlichkeit oder das Gefühl der Sicherheit verhökert? Eine Angsthasen-Gesellschaft?

Doch mein größter Kritikpunkt lautet, dass man, wenn man schon paranoid wird, es auch ohne Grenzen werden sollte. In dieser Hinsicht ist mir die Idee noch immer nicht konsequent genug zu Ende gedacht worden. Das kleine Handy kann leicht vom Kidnapper weggeworfen oder vom Kind oder Rentner vergessen werden. Viel besser wäre ein Handy-Implantat, das die gleichen Funktionen erfüllt. Zum Beispiel im Kieferknochen. Die Lage hätte verschiedene Vorteile: So liegt sie im Mund und ist damit perfekt zum Übertragen von Sprache geeignet.

Die Haut ist zudem dünn, so dass erstens der Außenschall gut abgelauscht werden kann. Zweitens ließe sich die Stimme des Gesprächspartners durch den Knochen übertragen. Drittens ließe sich das Telefon einfacher auf Fingerdruck aktivieren, weil der Knochen besser als Schaltunterlage dient als schlaffe Muskel- oder Fettgewebe, wo sich der Knopf in den Fleischmassen zu verlieren droht. Außerdem ließe sich das Energieproblem lösen: Der Akku könnte teilweise durch die Ernte piezoelektrischer Energie mit einfachem Kauen aufgeladen werden. Oder hat jemand eine bessere Idee? (bsc)