Erstinstanzliches Urteil im Verfahren Musikindustrie gegen Heise bestätigt

Im Verfahren um die Berichterstattung über DVD-Kopiersoftware meinte das OLG, es sei nicht im Sinne des Gerichts, "Tendenzschnüffelei" zu betreiben. Der inkriminierte Link allerdings gehe zu weit und sei nicht von der Pressefreiheit gedeckt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 593 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Holger Bleich

Im Rechtsstreit zwischen dem Heise Zeitschriften Verlag und acht Unternehmen der Musikindustrie hat das Oberlandesgericht (OLG) München das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Demnach ist es heise online weiterhin erlaubt, über Software zu berichten, die Kopierschutzmechanismen auf DVDs knacken kann. Das Setzen eines Hyperlinks zur Homepage eines Herstellers dieser Software bleibt dem Online-Dienst weiterhin untersagt.

Im Januar 2005 hatte heise online in einem News-Artikel über das Programm AnyDVD berichtet. Dieses Tool des Herstellers Slysoft soll nach dessen Angaben in der Lage sein, nicht nur den CSS-Schutz von DVDs zu entfernen, sondern auch drei weitere Kopiersperren für DVDs auszuhebeln. Im Artikel befand sich ein Hyperlink zur Homepage des Software-Herstellers.

Unter Berufung auf Paragraf 95a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) gingen acht Unternehmen aus der Musikindustrie daraufhin juristisch gegen den Heise Zeitschriften Verlag vor. Die Vorschrift verbietet unter anderem Herstellung, Einfuhr, Verbreitung, Verkauf, Vermietung und Bewerbung von "Vorrichtungen zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen". Nach Ansicht der Musikindustrie liegt ein Verstoß gegen diesen Paragrafen bereits in dem Setzen eines Links auf die Eingangsseite der Online-Präsenz eines Herstellers von Kopiersoftware. Weiterhin wird dem Heise-Verlag vorgeworfen, in der betreffenden Meldung eine "Anleitung zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen" geliefert zu haben. Außerdem sei der Beitrag sogar als "verbotene Werbung" für den Verkauf der Software zu bewerten.

Der Heise Zeitschriften Verlag hingegen sieht in dem Vorgehen der Musikindustrie einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit. Außerdem seien die Argumente der Musikindustrie nicht nachzuvollziehen: "Der Artikel enthält weder eine Anleitung noch Werbung, es wird im Gegenteil ausdrücklich auf die schwierige Rechtslage hingewiesen. Einen Link auf die Webpräsenz des Herstellers zu setzen, ist in der Online-Berichterstattung eine Selbstverständlichkeit und angesichts der Tatsache, dass unsere Leserinnen und Leser Internetsuchmaschinen kennen und bedienen können, ohnehin belanglos", kommentierte der Chefredakteur von heise online, Christian Persson, bereits Ende Januar.

Nachdem das Landgericht München 1 im März 2005 entschieden hatte, dass die Berichterstattung in dem Artikel rechtlich zulässig ist, der Link aber entfernt werden muss, hatten beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht befand nun, dass es in dem Verfahren im Kern um den Paragrafen 95a Abs. 3 des novellierten Urheberrechts gehe. Bei dessen Auslegung müssten die widersprüchlichen Interessen der Presse nach freier Berichterstattung sowie der Musikindustrie nach dem Schutz des "geistigen Eigentums" berücksichtigt werden. Es sei unstrittig, dass die Software AnyDVD des Herstellers Slysoft gegen diese Vorschrift verstoße. Diese Sachlage sei auch dem Heise Zeitschriften Verlag bekannt. Dennoch müsse es ihm erlaubt sein, über "Knack-Software" in seinem Online-Medium journalistisch zu berichten. Dies sei von der Pressefreiheit gedeckt.

Zum Argument der Musikindustrie, Teile des Online-Artikels hätten werbenden Charakter oder würden gar eine Anleitung zum unerlaubten Raubkopieren geben, erklärte der Senat, er habe keine Anleitungen in dem Artikel entdecken können, sondern allenfalls Hinweise. Es sei ohnehin nicht in seinem Sinne, "Tendenzschnüffelei" zu betreiben, um dann einzelne Teile der Berichterstattung zu verbieten. Der Link allerdings gehe zu weit und sei nicht mehr von der Pressefreiheit gedeckt. Er überschreite die Grenze des Erlaubten und sei die "Verlinkung eines Portals, wo Unrecht geschieht". Dies wiederum sei eine "Verwilderung der Pressesitten, der entgegengewirkt werden muss".

Das Gericht wies die Berufungsanträge beider Seiten zurück. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben, jede Seite trägt also die eigenen Auslagen. Außerdem bestätigte der Senat den Streitwert von 500.000 Euro. Mit einer schriftlichen Urteilsbegründung ist in einigen Wochen zu rechnen. Der Rechtsweg im einstweiligen Verfügungsverfahren ist mit der Entscheidung des OLG erschöpft. Es bleibt beiden Seiten aber noch die Möglichkeit der Klage im Hauptsacheverfahren.

Siehe dazu auch:

(hob/c't) / (jk)