Microsoft-Chef: Linux "nutzt unser geistiges Eigentum"

Microsoft-Schwergewicht Steve Ballmer hat die Hintergründe des Linux-Abkommens mit Novell erläutert und sich erfreut gezeigt, dass nun eine erste Open-Source-Vertriebsfirma für die Nutzung patentierter Microsoft-Erfindungen zahle.

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Steve Ballmer hat offen behauptet, dass Linux "unser patentiertes geistiges Eigentum nutzt" und somit "ein Problem für unsere Aktionäre" darstelle. Den erneuten rhetorischen Angriff auf Open-Source-Software startete der Microsoft-Chef am gestrigen Donnerstag bei der Erläuterung des jüngst geschlossenen Abkommens mit dem Linux-Distributor Novell auf einem Treffen der Professional Association for SQL Server (PASS) in Seattle. Dort zeigte sich Ballmer laut einem Blogeintrag des Seattle Post-Intelligencer erfreut darüber, dass mit Novell nun erstmals eine Open-Source-Vertriebsfirma für die Verwendung patentierter Microsoft-Erfindungen geradestehe. Sollte sich jemand gegen Windows und für Linux entscheiden, dann würden sich die Redmonder künftig für einen möglichst hohen Marktanteil von Novells SUSE-Linux stark machen, erklärte der Microsoft-Boss. Denn nur ein Käufer dieser Distribution "hat ordentlich für die Nutzung geistigen Eigentums von Microsoft gezahlt".

"Man könnte gewissermaßen sagen, dass jeder, der Linux in seinem Daten-Center betreibt, ein nicht genau beziffertes Minus auf seinem Konto hat", weitete Ballmer seinen Vorwurf der Patentverletzung auf alle Anwender des frei verfügbaren Betriebssystems aus. Betroffen seien schließlich nicht nur Microsofts Patente. Angesichts der Funktionsweise von Open Source sei bislang niemand imstande gewesen, dafür eine Freistellung von Patentansprüchen anzubieten. Die Firma Open Source Risk Management (OSRM) wirbt allerdings bereits seit über zwei Jahren für eine Art Linux-Rechtsschutzversicherung. Sie will allein im Kernel des offenen Systems 238 Patentverletzungen ausgemacht haben.

Ballmer hatte im März mit Patentklagen gegen Anwender und Anbieter von Linux gedroht. Damals hatte er sich allerdings noch vorsichtiger ausgedrückt, was die Möglichkeit von Patentverstößen angeht. "Ich glaube, es gibt Experten, die sagen, Linux verletzt unser geistiges Eigentum", wand sich der Geschäftsführer des Softwaregiganten noch um eine klare Aussage herum. Das Säbelrasseln ist in Redmond allerdings schon länger Tradition. Schon vor Jahren hatte Ballmer Linux aufgrund der verwendeten GNU Public License (GPL) als "ein Krebsgeschwür" bezeichnet, "das in Bezug auf geistiges Eigentum alles befällt, was es berührt". Seitdem ist Microsoft dazu übergegangen, mit der Rechtssicherheit der eigenen Produkte im Bereich geistiger Eigentumsrechte zu werben und Nutzer der eigenen Software gezielt von möglichen Patentklagen freizustellen.

In der umstrittenen Vereinbarung mit Novell sieht Ballmer nun anscheinend ein Eingeständnis von Open-Source-Seite, dass Linux gegen fremde Patentrechte verstößt. Novell hat sich im Rahmen des Pakts bereit erklärt, mindestens 40 Millionen US-Dollar an die Redmonder zu zahlen. Diese wiederum wollen dem Linux-Anbieter vorab 240 Millionen US-Dollar für Gutscheine für Novell-Distributionen überweisen, von denen Microsoft bis zum Ablauf des Abkommens am 1. Januar 2012 jährlich mindestens 70.000 an seine Kunden verteilen soll. Außerdem versichert Microsoft, nicht gegen Novell wegen möglicher Patentverletzungen zu klagen.

Rechtsexperten aus der Open-Source-Gemeinde wie die Groklaw-Betreiberin Pamela Jones haben den neuen Angriff Ballmers gegen Linux als "FUD" ("Fear, Uncertainty and Doubt"), als Streuen von Furcht, Unsicherheit und Zweifel, abgetan. Der Microsoft-Chef möge doch bitte klagen, falls er sich wirklich sicher sei, Rechtsansprüche geltend machen zu können. Auch der stellvertretende Justiziar von Red Hat, Mark Webbink, sieht keinen Anlass für einen ähnlichen Pakt mit Microsoft und damit eine Art "Innovationssteuer" zu zahlen. Ballmer hatte Red Hat auf der Tagung in Seattle noch einmal gezielt aufgefordert, ebenfalls ein Patentabkommen mit den Redmondern abzuschließen. Das Übereinkommmen mit Novell sei keinesfalls exklusiv und man würde gern auch mit anderen Linux-Distributoren verhandeln. Die Free Software Foundation (FSF) hat dagegen gerade deutliche Zweifel an der rechtlichen Gültigkeit des Novell-Deals vorgebracht. (Stefan Krempl) / (vbr)