Hannover Messe beginnt mit Hoffnung auf stabilen Aufschwung

Der Bundesverband der Deutschen Industrie geht anlässlich der Eröffnung der Industriemesse von bis zu zwei Prozent Wachstum in diesem Jahr aus, warnte zugleich aber vor Risiken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • dpa

Mit Hoffnungen auf einen stabilen Aufschwung und Erwartungen an einen wirtschaftsfreundlichen Kurs der Bundesregierung hat heute die Hannover Messe begonnen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht jetzt sogar von bis zu zwei Prozent Wachstum in diesem Jahr aus, warnte zugleich aber vor Risiken. "Es hängt jetzt von der Politik ab, den Erwartungen zu entsprechen und einen dauerhaften Aufschwung zu schaffen", sagte BDI-Präsident Jürgen Thumann. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte auf der Messe die große Bedeutung des freien Welthandels und wandte sich gegen "alle Anflüge von Protektionismus" in Deutschland und der EU.

Die Kanzlerin bekräftigte zudem den Willen Deutschlands, die Zusammenarbeit mit Indien zu intensivieren. Indien ist in diesem Jahr Partnerland der weltgrößten Technologiemesse, bei der bis Freitag rund 5200 Aussteller ihre Produkte zeigen. Vor allem im Sektor Energie soll es mit Indien verstärkte Kooperationen geben. Die Deutschen stünden inzwischen an sechster Stelle der ausländischen Investoren in Indien, sagte Ministerpräsident Manmohan Singh bei einem deutsch-indischen Wirtschaftstreffen. Es gebe in seinem Land "großen Respekt" vor der deutschen Ingenieurskunst.

Zu den Vereinbarungen mit Indien gehört auch ein Ausbau der Kooperation der Deutschen Bahn mit der staatlichen indischen Bahn Indian Railways. Bahnchef Hartmut Mehdorn unterzeichnete eine entsprechende Absichtserklärung. Dabei geht es um Modernisierung des Gleisnetzes und Entwicklung von Signal- und Kommunikationstechnik. Geplant ist auch ein Austausch von Ingenieuren und Technikern. Der Stuttgarter Bus-Hersteller Neoman will künftig Busse und Chassis für den asiatischen Markt in Indien produzieren.

Die deutsche Industrie stützt ihre Erwartungen vor allem auf drei Faktoren: den Export, die Hoffnung auf anziehende Binnenkonjunktur und die Reformfähigkeit der großen Koalition. Thumann sagte, das aktuelle Stimmungshoch in der Wirtschaft sei ein Vertrauensvorschuss, der nicht von unbegrenzter Dauer sei. Er habe die Sorge, "dass ein fiskalischer Aderlass der positiven Entwicklung 2007 Kraft entzieht", sagte er – auch mit Blick auf die für das kommende Jahr angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte.

Die Wirtschaft brauche jetzt verlässliche Signale, dass sich etwas bewege. Das gelte für den Arbeitsmarkt, die Unternehmensbesteuerung, Energiepolitik und Gesundheit. Die große Koalition müsse ihre Chancen nutzen. Thumann: "Nur dann kann aus der optimistischen Prognose für 2006 ein wirklicher Aufschwung in 2007 werden."

Kritisch beurteilte der Maschinenbau den Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Die Einkommenserhöhungen von drei Prozent kosteten Arbeitsplätze und belasteten die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland, sagte der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Dieter Brucklacher. Die Unternehmen würden Gegenstrategien entwickeln – wie Personalabbau und verstärkte Verlagerungen ins Ausland. Thumann sagte, der Abschluss sei "teuer erkauft", begrüßte aber, dass erstmals flexible Elemente eine stärkere Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage erlaubten.

Die Geschäfte im deutschen Maschinenbau, der drittgrößten deutschen Industriebranche, laufen nach Angaben des VDMA weiterhin glänzend. In den vergangenen drei Monaten stiegen die Auslandsorder um 13 Prozent. Die Auftragseingänge im Inland erhöhten sich sogar um 22 Prozent. Das könnte für eine "Trendwende" im Inland stehen, so Brucklacher. Der deutsche Maschinenbau befindet sich im dritten Wachstumsjahr in Folge. Die Produktion soll 2006 um zwei Prozent zulegen – nach 4,7 Prozent 2005. Brucklacher mahnte aber auch, die Politik dürfe sich nicht von strukturellen Reformen verabschieden. Auch bei den Unternehmenssteuern stünden die Zusagen der großen Koalition auf der Kippe.

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) klagte über einen weiter wachsenden Mangel an Fachkräften. In Deutschland könnten derzeit etwa 18.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden, sagte VDI-Direktor Willi Fuchs. Für die deutsche Automatisierungsindustrie sieht der Branchenverband ZVEI "enorme Chancen" in Indien. Insgesamt gebe es für 2006 aber nur verhaltenen Optimismus in der Branche. 2005 war der Umsatz der deutschen Automatisierungstechnik um 3,4 Prozent auf 36 Milliarden Euro gestiegen, nach 5,4 Prozent Wachstum im Vorjahr. (dpa) / (anw)