Entdeckung von Aliens oder Schaffung von künstlichem Leben?

Das Wissenschaftsmagazin New Scientist hat bekannte Forscher nach dem wichtigsten Durchbruch in der Forschung in den nächsten 50 Jahren befragt.

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Von
  • Florian Rötzer
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Das Wissenschaftsmagazin New Scientist hat zu seinem 50. Jubiläum einige prominente Wissenschaftler befragt, in welcher Entwicklung sie in den nächsten 50 Jahren den größten wissenschaftlichen Durchbruch erwarten würden. Die Antworten sind erwartungsgemäß vor allem darin ausgerichtet, aus welcher Disziplin die Wissenschaftler stammen.

Den vielleicht eigenwilligsten Vorschlag hat wohl der Ozeanologe Daniel Pauly gemacht. Für ihn wäre die wichtigste technische Entwicklung der nächsten Jahrzehnte ein System, mit dem man die Gefühle und „Gedanken“ aller Tiere entdecken, verstärken, übermitteln und in einer solchen Form darstellen kann, dass sie in uns ähnliche Gefühle oder Gedanken hervorrufen. Das werden man zuerst bei Primaten machen können, dann aber auch bei den Fischen. Für Pauly würde daraus eine "globale Abneigung" entstehen, weiterhin Fleisch zu essen: "Wir würden alle Vegetarier werden."

Der Astrophysiker drängt hingegen darauf, möglichst bald eine bewohnte autonome Kolonie auf dem Mars zu gründen. Das wäre eine Versicherung gegen alle möglichen Katastrophen, die auf der Erde geschehen könnten. Gründungen von Kolonien seien auch in der Vergangenheit wichtig gewesen. Unser Planet sei übersät mit den Überresten von ausgestorbenen Arten, was davon zeugt, dass die immer wieder geschehen könne.

Professor Freeman Dyson vom Institute for Advanced Study in Princeton, der gerne gewagte Thesen aufstellt, denkt, dass wir bis 2056 außerirdisches Leben entdecken werden. Jetzt erst entwickle man die Mittel zur Entdeckung von möglichen Signalen aus dem Weltraum. Habe man erstmals einen Hinweis auf außerirdisches Leben gefunden, dann wisse man auch besser, wonach man suchen müsse. Der Astronom Steve Squyres von der Cornell University, der an der Erkundung des Mars durch die Nasa beteiligt ist, bleibt vorsichtiger, während sich Chris McKay, Astrobiologe bei der Nasa, sicher ist, dass man auf dem Mars eine "zweite Genesis" entdecken werde, auch wenn das Leben nur noch in gefrorenem Zustand im Eis erhalten geblieben ist. Man könnte vielleicht sogar fremdes Leben auf der Erde finden, in einer "verborgenen Biosphäre".

Dem stimmt auch der Physiker und Astrobiologe Paul Davies zu. Das Leben könne auf Erden mehrmals gestartet sein, und weil die Lebensformen zum größten Teil Bakterien sind, könne es durchaus sein, dass es unter den irdischen Bakterien auch „Aliens“ gebe, die man nur noch nicht erkannt habe. Würde man solche Bakterien entdecken, die nicht aus der irdischen Evolutionslinie stammen, dann habe man auch einen Beleg dafür, dass „wir nicht alleine sind“.Carolyn Porco, Direktorin des Cassini Imaging Central Laboratory for Operations (CICLOPS) am Space Science Institute in Boulder, denkt hingegen lieber über die Erde hinaus und meint, die Chancen stünden gut, im Sonnensystem Leben, wenn vielleicht auch nur fossiliertes, zu finden. Neben dem Mars wäre das für sie auch auf dem Saturn-Mond Enceladus möglich. Der Biochemiker Peter Atkins bleibt in gewissem Sinne irdischer. Die Erforschung des irdischen Lebens werde dazu führen, dass die Menschen die chemischen Reaktionen auf allen Ebenen immer besser kontrollieren und damit künstliches Leben schaffen können.

Der Robotikforscher Rodney Brooks vom MIT hofft auf die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz. Würde man genug Mittel aufwenden, dann könnten KI-Systeme bis 2056 Dinge zuverlässig erkennen und bezeichnen. Für Brooks ein entscheidender Schritt für einen Ausbau der Kooperation zwischen Menschen und Robotern. Der Physiker Frank Wilczek glaubt, dass man in Zukunft nicht mehr Elektronen, sondern Licht und den elektronischen Spin als Informationsträger in "dreidimensionalen, sich selbst zusammenbauenden Strukturen" verwenden wird. Damit wäre dann der Schritt zur Ankunft von Maschinen mit "übermenschlicher Intelligenz" getan. Der Mathematiker Stephen Wolfram setzt weiter auf die Entwicklung von zellulären Automaten, mit denen sich die Schüler in Zukunft vor der Algebra beschäftigen würden. Er geht davon aus, dass die größten Entwicklungsschritte aus der automatischen Erforschung des "computational universe" hervorgehen werden, wo man beispielsweise das Modell unseres Universums oder viele technische Anwendungen entdecken könnte.

Auf die Entwicklung eines funktionsfähigen Quantencomputers setzt der Physiker David Deutsch und hofft auch auf die Entwicklung einer Quantentheorie der Konstruktion, also auf eine allgemeine Theorie darüber, was man mit welchen Ressourcen bauen kann und was nicht. Auch der Physiker Anton Zeilinger geht von der Entwicklung eines Quantencomputers aus und glaubt, dass die Quanten-Teleportation als Kommunikationsform der Quantencomputer dienen wird.

Der britische Genforscher Francis Collins sieht weitere Fortschritte in der Genanalyse und glaubt, dass wir uns in 50 Jahren nicht mehr fragen werden, wie lange Menschen leben können, sondern wie lange wir leben wollen. Der Pathologe Richard Miller geht davon aus, dass man das Leben der Menschen aufgrund der jetzt schon erfolgreichen Forschung an Tieren, mit Medikamenten, Diät oder anderen Möglichkeiten, Schutzsysteme zu aktivieren, um mindestens 40 Prozent verlängern kann. In 50 Jahren werde es die erste Generation von Hundertjährigen, die so produktiv und kraftvoll wie die jetzt Sechzigjährigen seien.

Die Versorgung mit Ersatzorganen, die mit menschlichen Zellen in Tieren gezüchtet werden, ist für Bruce Lahn von der University of Chicago möglich, während Ellen Heber-Katz vom Wistar Institute davon ausgeht, dass man nach und nach alle Organe und Gliedmaßen nachwachsen und Hirnareale reparieren können wird. In 50 Jahren könne man dann auch den ganzen Körper ersetzen. Ein bisschen "bescheidener" ist Anthony Atala, Wake Forest Institute for Regenerative Medicine. Für ihn wird es allgemeine Zellen geben, die man einem Patienten injiziert und die dann beschädigtes Gewebe ersetzen. Das könne man auch präventiv machen, um das Altern hinauszuzögern.

Der Autismusforscher Simon Baron-Cohen setzt auf die Fortentwicklung der "Kognitiven Genomik". Wenn wir verstanden haben, wie aus so wenigen Genen so viel Komplexität im Gehirn entstehen kann, dann ist für Neurowissenschaftler Antonio Damasio die Entdeckung der "Ursuppe" nicht mehr fern. (fr)