Security-Firma entwirft Tools zur Meinungsmache mit Kunstfiguren

In den E-Mails, die der Angriff von Anonymous auf HBGary an die Öffentlichkeit gespült hat, findet sich auch ein Konzept, um mittels konstruierter Personas künstliche Meinungsbilder zu erzeugen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Grell

In einem Blog auf Daily kos Community befasst sich Happy Rockefeller mit bisher wenig beachteten Mails aus den von Anonymous veröffentlichten Archiven. Darin diskutieren Mitarbeiter von HBGary Federal ein Konzept, das es einzelnen Anwendern erlaubt, eine Gruppe oder gar eine Armee künstlicher Personas zu führen, um damit scheinbare Meinungsmehrheiten etwa in den Foren missliebiger Websites zu erzeugen.

Über ein sogenanntes Persona Management sorge man für konfliktfreie Konstruktionen. Ein menschlicher Anwender bedient sich dabei vorgefertigter virtueller Maschinen, in denen Personas mit bereits installierten E-Mail-Accounts, Web-Seiten und etwa Mitgliedschaften in sozialen Netzen stecken. In einem Word-Dokument, das Aaron Barr, CEO der HBGary-Tochter HBGary Federal verschickte, geht es darum, gleich einen Schwung Personas auf Twitter, in Blogs, Foren und Myspace zu kreieren und mit passenden Namen auszustatten. Die Accounts werden dann automatisch durch RSS Feeds, Retweets und Verlinkungen untereinander mittels Social-Media-Kommentaren gewartet und aufdatiert.

Wie man solche Personas dann richtig etablieren könnte, skizzierte Barr ein einem kleinen "Nebenprojekt". Er wollte mit einer Persona die Low Orbit Ion Canon – das Tool, das in der Operation Payback zum Einsatz kam – manipulieren und verteilen. Eine zweite sollte diese trojanisierte Version dann "finden" und anprangern. Damit wäre zwar die erste Persona verbrannt, aber der vorgebliche Finder hätte in der Szene Renommé sammeln können. Zumindest die E-Mail-Kommunikation zu diesem Projekt endet allerdings damit, dass sich der von Barr beauftragte Entwickler rundweg weigerte: "I'm not compiling that shit on my box!"

Die Entwicklung eines Prototypen für das Management der Personas und das Einsammeln von Daten veranschlagt der HBGary-Federal-Chef in einem Angebot an die Firma Mantech mit etwa 100.000 US-Dollar. Damit wird auch das Zielrichtung dieser Aktivitäten klar. Denn Mantech wirbt seinerseits mit einer beeindruckenden Kundenliste: Defense Intelligence Agency, U.S. Navy, Air Force, Army, Marine Corps, FBI, NSA, Department of Homeland Security und so weiter. Bereits kurz nachdem Unbekannte sehr trickreich in die Systeme von HBGary eingebrochen waren, dokumentierte heise online, dass die Mutterfirma HBGary anscheinend für eine ähnliche Klientel hochspezialisierte Rootkits und Spionageprogramme entwickelte.

Künstliche Meinungsmache gibt es beispielsweise in der PR bereits seit längerem, allerdings üblicherweise durch reale Menschen, die gegen Bezahlung etwa Bewertungen vornehmen oder Wunschkommentare in Foren verfassen. Die neue Qualität liege nach Rockefeller aber in der scheinbaren Mehrheitsmeinung, die damit ohne großen Aufwand auch kleinen Gruppen zu Gebote steht – und ein gut gemachter "Proteststurm" auf einem Blog lässt bei Lesern schon mal Zweifel am eigenen Standpunkt aufkommen. (gr)