Energieeffizienz ist keine effiziente Strategie

Glauben wir einem neuen Report des Breakthrough Institute, sind so genannte Rebound-Effekte nicht nur ein ernsthaftes Problem, sondern auch unvermeidbar.

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Von
  • Niels Boeing

Dass der fossile Kapitalismus nicht so weitermachen kann wie bisher, hat sich inzwischen herumgesprochen. Endliche Reserven bei Energierohstoffen und die Treibhauswirkung zunehmender CO2-Emissionen lassen sich kaum noch wegdiskutieren. Also lasst uns Energie effizienter nutzen als bisher, während wir allmählich zu einem Erneuerbare-Energien-System übergehen, lautet daher das Gebot der Stunde.

Doch so einleuchtend Energieeffizienz ist, zumal sie auch Geld spart, so vertrackt wird die Sache, wenn man genauer hinschaut. Das Problem ist der "Rebound", dem die Öffentlichkeit bislang kaum Beachtung schenkt. Rebound bedeutet: Die Menschen neigen dazu, eine Energieeinsparung wieder teilweise zunichte zu machen, indem sie wegen umgerechnet geringerer Energiekosten mehr konsumieren oder produzieren als vorher. Ähnlich wie am All-you-can-eat-Buffet: Da schaufelt man sich für den Preis eines Gerichts den Teller gerne mal doppelt so voll. Liegt der Rebound gar höher als die Einsparung, spricht man von "Backfire".

Der amerikanische Umwelt-Thinktank Breakthrough Institute hat nun in einem neuen Report den Stand der Rebound-Forschung unter die Lupe genommen. Mit zwei Ergebnissen: Energieeffizienz ist alles in allem keine erfolgversprechende Strategie, um die CO2-Emissionen zu senken – und das Rebound-Problem ist komplexer, als viele denken.

Lange Zeit wurden nur direkte Rebound-Effekte auf Seiten der Konsumenten betrachtet – also wenn Verbraucher mehr von einem Nachfolgeprodukt konsumierten, weil die Energieverbrauchskosten gesunken waren. Diese Effekte sind historisch immerhin unstrittig.

Eine Studie von Jeffrey Tsao und vier Kollegen vom vergangenen Jahr zeigte beispielsweise, dass sämtliche Effizienzgewinne in der Beleuchtungstechnik seit 1700(!) allesamt von höherem Konsum aufgezehrt wurden - so dass der Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt, der für Beleuchtung ausgegeben wurde, trotz des Fortschritts bis heute konstant geblieben ist.

Direkte Rebound-Effekte gibt es aber auch in der Produktion. Die sind umso ernster zu nehmen, als auf die Produktion von Gütern und Dienstleistungen laut ExxonMobil zwei Drittel des weltweiten Energieverbrauchs entfallen. Die gerade von der "Lohas"-Bewegung beschworene Verbrauchermacht entpuppt sich so als eher zweitrangig für eine Energierevolution.

Harry Saunders hat kürzlich Rebound-Effekte in der US-Produktion zwischen 1990 und 2000 für 30 Industriezweige untersucht. Über alle Branchen gemittelt, kommt Saunders auf einen Rebound-Effekt von satten 62 Prozent: Knapp zwei Drittel der potenziell eingesparten Energie gingen für eine Umorganisation der Produktion – infolge niedrigerer Energiekosten – und für eine höhere Produktionsmenge drauf. Diese beiden Posten verteilen sich je nach Branche unterschiedlich, wie einige Beispiele zeigen:

Neben direkten Rebound-Effekten gibt es aber auch indirekte, die erst seit einiger Zeit gründlicher untersucht werden und schwerer zu erfassen sind. Auf Verbraucherseite liegt ein indirekter Rebound vor, wenn etwa durch höhere Energieeffizienz bei Lampen eingespartes Geld für andere Produkte ausgegeben wird, die die Verbraucher sonst nicht hätten kaufen können. Und um diese zusätzliche Nachfrage zu befriedigen, müssen die Hersteller mehr Energie aufwenden.

Effizienzgewinne führen wiederum dazu, dass sich etwa Zwischenprodukte verbilligen, so dass Produktionsketten neu organisiert werden und zu einer dritten Art von Rebound-Effekten führen können, den makroökomischen. Terry Barker und Tim Foxon haben die verschiedenen Rebound-Effekte berechnet, die politische Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in Großbritannien zwischen 2000 und 2010 in verschiedenen Sektoren wahrscheinlich mit sich bringen:

Auch wenn Daten zu manchen Rebound-Effekten schwer zu erhalten sind, legt der Breakthrough-Report doch nahe, dass eine Politik der Energieeffizienz-Steigerung kein Selbstläufer ist. Rebound-Effekte sind ein "emergentes Phänomen" im komplexen System Wirtschaft, die sich kaum vorhersagen lassen. Will man sicherstellen, dass es wenigstens kein Backfire gibt, also unterm Strich nicht sogar mehr Energie verbraucht wird als vor der Effizienzsteigerung, müsste man die Energieproduktion deckeln.

Eine solche Deckelung ist sicher eine Illusion, weil sie auf eine Art Energieplanwirtschaft hinausliefe. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren in den Schwellenländern krasse Rebound-Effekte zu erwarten sind.

Die Schlussfolgerung der Breakthrough-Autoren lautet deshalb: An einer "dekarbonisierten" Energieproduktion – sprich: dem schnellen und massiven Ausbau nicht-fossiler, erneuerbarer Energien – führt kein Weg vorbei. Ob diese Botschaft in Washington, Berlin, London oder Peking ankommt? (nbo)