Demokraten fechten Wahlergebnis in Sarasota (Florida) an

Weil rund 18.000 Stimmen von den in Sarasota County eingesetzten Wahlcomputern nicht registriert wurden, will die unterlegene demokratische Kandidatin gerichtlich Neuwahlen durchsetzen lassen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler
Unmittelbar, nachdem die staatliche Wahlleitung den Republikaner Vern Buchanan am gestrigen Montag zum offiziellen Sieger im Rennen um den Sitz des 13. Florida-Bezirks für das US-Repräsentantenhaus erklärte, reichte seine demokratische Konkurrentin Christine Jennings Klage gegen die Ernennung Buchanans ein. Jennings fordert Neuwahlen, weil die bei der Wahl am 7. November in Sarasota County eingesetzten Touch-Screen-Wahlcomputer (Direct Recording Electronic, DRE) des Herstellers ES&S offenbar mehr als 18.000 der insgesamt 141.000 in dem Landkreis abgegebenen Stimmen nicht gezählt haben.
ES&S (Election Systems & Software) stellt nahezu die Hälfte der in den USA eingesetzten Wahlcomputer her. Gegründet wurde ES&S von Bob Urosevich, dem ersten CEO von Diebold Election Systems. Enge Verbindungen zwischen ES&S und Diebold Election Systems bestehen auch heute noch: Während Bob Urosevich dem Management von Diebold Election Systems angehört, arbeitet sein Bruder Todd in verantwortlicher Position bei ES&S. Zusammen kontrollieren ES&S und Diebold Election Systems 80 Prozent des Marktes für Wahlmaschinen in den USA.
Nach Angaben des Security-Experten und Wahlmaschinen-Kritikers Bruce Schneier fehlen in Sarasota County insbesondere dort Stimmen, wo Jennings favorisiert worden war. Beim sogenannten "Early Voting", das Bürgern die Möglichkeit einräumt, Stimmen bereits rund zwei Wochen vor dem eigentlichen Urnengang abzugeben, hatte sich in Florida bereits gezeigt, dass Wahlmaschinen auffallend häufig Stimmen, die eigentlich für demokratische Kandidaten abgegeben wurden, den republikanischen Kontrahenten zuordnen wollten.
Buchanan hatte nach erster Zählung mit weniger als 400 Stimmen geführt, wegen des knappen Ausgangs ordnete Floridas Wahlaufsicht aber Nachzählungen an. Diese führten laut Election Canvassing Commission schließlich zu einem Endergebnis von plus 369 Stimmen für den republikanischen Kandidaten. Jennings beruft sich in ihrer Klage unter anderem auf Augenzeugen, die von zahlreichen Problemen bei der Stimmabgabe berichten. "Es steht eindeutig fest, dass hier etwas furchtbar falsch gelaufen ist", erklärte Jennings' Anwalt Kendall Coffey gegenüber US-Medien.
Buchanan, ein wohlhabender Autohändler, wirft den Demokraten unterdessen vor, schlechte Verlierer zu sein. Deren Strategie laute offenbar: Wenn du verlierst, dann klage. "Die Stimmen wurden jetzt dreimal ausgezählt und jedes Mal lag Buchanan vorne", erklärte der Sprecher der republikanischen Partei in Florida, Jeff Sadosky. Die Regierung Floridas hat für den 28. November eine Untersuchung von ES&S-Geräten angeordnet, die für die Wahl am 7. November vorbereitet wurden, in Sarasota County aber nicht zum Einsatz kamen.
Zum Thema E-Voting siehe auch:
  • Obskure Demokratie-Maschine, Sind Wahlcomputer manipulationssicher?, c't 20/06, S. 86
  • E-Voting: Ja, aber ..., Bedenken gegen die Wahlcomputer von Nedap, c't 16/06, Seite 54
  • Naive E-Wähler, Rechtliche und technische Probleme bei Wahlcomputern in Deutschland, c't 15/06, Seite 104
  • Der Stift-Kompromiss, Das Hamburger Landeswahlamt propagiert fürs Voting den digitalen Wahlstift, c't 6/06, S. 90
  • "Der schleichende Verfall der öffentlichen Kontrolle", Der 22C3 diskutiert über Wahlen per Internet und E-Voting, c't 2/06, S. 20
  • E -Voting vs. Verfassung, Rechtliche Bedenken bei elektronischen Wahlmaschinen in Deutschland, c't 1/06, S. 80
  • Elektronische Wahlen?, Einige verfassungsrechtliche Fragen, c't 23/05, S. 228
  • Dreimal drücken – fertig?, E-Voting-Großeinsatz bei der Bundestagswahl, c't 19/05, S. 54
  • Trial and Error, Streit um technische Richtlinien für US-Wahlcomputer, c't 17/05, S. 54
  • E-Voting – ein Spiel mit dem Feuer, Elektronische Wahlsysteme bei den US-Präsidentschaftswahlen 2004, c't 23/04, S. 100
  • Verführerischer Charme ..., ... aber die Einführung allgemeiner Online-Wahlen bleibt umstritten, c't 11/01, S. 22
  • Der virtuelle Wähler, Zweifel am Urnengang mittels Internet, c't 8/01, S. 70